Geothermienutzung in Osnabrück

Anfrage zur Möglichkeit der Nutzung von Geothermie im Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt am 04.03.2021

04.03.21 –

Anfrage im Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt am 04.03.2021

 

Sachverhalt:

Die Verwaltung beantwortet die Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wie folgt:

1. Für den Bebauungsplan Nr. 513 - An der Blankenburg / Eselspatt ist gemäß den „Ökologischen Belangen der Bauleitplanung“ ein Energiekonzept zu prüfen. Aus dem Entwurf der Begründung ist zu entnehmen, dass die Nutzung von Deponiegasen geprüft und verworfen wurde (S.12/43). Gibt es trotz der vorhandenen Altlasten die Möglichkeit zur Nutzung von Geothermie in Teilbereichen dieses Gebiets? Bei der Betrachtung ist auch die nördlich angrenzende Fläche einzubeziehen, auch wenn diese derzeit nicht verfügbar ist.

Für den Bebauungsplan Nr. 513 wurde im Rahmen des Bauleitplanverfahrens die Erstellung eines Energiekonzeptes geprüft und in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit der Nutzung austretender Methangase zur Energiegewinnung thematisiert. Da es sich hier um ein reines Gewerbegebiet handelt, ist im Ergebnis festzustellen, dass die Planung einer gemeinschaftlichen Energieversorgung hier nicht sinnvoll bzw. möglich ist, da für die Auslegung eines Versorgungssystems die notwendigen Grunddaten nicht ermittelt werden können. Hierfür gibt es mehrere Gründe:

  • Es ist unklar welche Art von Gebäuden wo entstehen werden, welche der Gebäude und/oder Gebäudeteile normal beheizt werden sollen, oder z. B. unbeheizte / gering temperierte Lagerhallen oder Produktionsstätten sind.
  • Es ist unklar, ob Heizwärme überhaupt benötigt wird und wenn ja, auf welchem Temperaturniveau.
  • Es ist unklar, ob Prozesswärme benötigt wird.
  • Es ist unklar, welche und wie viele Gebäude evtl. gekühlt werden müssen.
  • Es ist unklar, wie hoch der Strombedarf zukünftiger Gebäude sein wird.

Auf dieser Grundlage, ein wirtschaftlich umsetzbares Energieversorgungskonzept für das Gebiet zu erstellen, erscheint aus Sicht der Verwaltung nicht darstellbar.

 

2. Wie ist sicher zu stellen, dass die Nutzung von Geothermie im Rahmen eines nachhaltigen Energiekonzepts für jedes Baugebiet geprüft wird?

Dies ist bereits sichergestellt. Überall dort wo Energieversorgungskonzepte im Rahmen von Bebauungsplanverfahren erstellt werden – was bei Wohngebieten in der Regel der Fall ist – werden alle technisch möglichen Varianten der Energieversorgung geprüft. Hierzu gehört grundsätzlich auch die Nutzung von Geothermie. 

 

3. Wie kann Geothermie verbindlich zur Energieversorgung von Baugebieten festgeschrieben werden, wenn dies technisch möglich ist?

In Bebauungsplänen können nur Festsetzungen getroffen werden, die abschließend in § 9 Absatz 1 Baugesetzbuch (BauGB) aufgeführt sind.

„§ 9 Absatz 1 Nummer 23 Buchstabe b) BauGB regelt die Festsetzung von Gebieten, in denen bei der Errichtung von Gebäuden und bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien und aus Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen. Damit sind Festsetzungen möglich, die zu Maßnahmen verpflichten, die dem Einsatz erneuerbarer Energien oder der Kraft-Wärme-Kopplung dienen. Diese Festsetzungsmöglichkeit ist damit den Festsetzungsmöglichkeiten des § 9 Absatz 1 zuzuordnen, die nicht lediglich die planungsrechtliche Absicherung von baulichen und sonstigen Anlagen im engeren Sinne zum Gegenstand haben, sondern bei der Errichtung von nach anderen Festsetzungen vorgesehenen Anlagen zu bestimmten Maßnahmen verpflichten (vgl. z. B. Nummer 23 Buchstabe a, Nummer 24 und Nummer 25 Buchstabe b).

Festsetzungen nach Nummer 23 Buchstabe b) sind zu unterscheiden und ggf. abzugrenzen von Regelungen im Energiefachrecht, die spezifische Verpflichtungen zur Nutzung von erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung enthalten. Von besonderer Bedeutung ist hier das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz, nach dem die Eigentümer von Gebäuden, die neu errichtet werden, verpflichtet sind, den Wärmeenergiebedarf wahlweise durch die anteilige Nutzung von erneuerbaren Energien (solare Strahlungsenergie, gasförmige, flüssige oder feste Biomasse, Geothermie, Umweltwärme) oder - an deren Stelle - durch Ersatzmaßnahmen (Nah- und Fernwärmeversorgung, Kraft-Wärme-Kopplung) zu decken (insbes. §§ 3 bis 8 EEWärmeG). Auch kann sich aus der Energieeinsparverordnung (EnEV) mittelbar die Verpflichtung ergeben, anstelle von nicht in Betracht kommenden Energie sparenden Maßnahmen etwa an der Gebäudehülle durch einen höheren Einsatz von erneuerbaren Energien zu kompensieren (vgl. § 5 EnEV, nach dem Strom aus erneuerbaren Energien von dem maßgeblichen Energiebedarf abgezogen werden darf). Zu berücksichtigen sind weiter gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang an ein Netz der öffentlichen Nah- und Fernwärmeversorgung zum Zwecke des Klima- und Ressourcenschutzes […]. Schließlich sind die möglichen Verpflichtungen auf Grund von städtebaulichen Verträgen (§ 11 BauGB) zu berücksichtigen. Nach § 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 BauGB können Vereinbarungen über die Errichtung und Nutzung von Anlagen und Einrichtungen zur zentralen und dezentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder die Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden. Solche Vereinbarungen können weitergehend sein als die nach § 9 Absatz 1 Nummer 23 Buchstabe b), weil sie auch den Gebäudebestand und auch die Nutzung der erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung beinhalten können. […]

Grundsätzlich sind Festsetzungen nach Nummer 23 Buchstabe b) neben diesem Energiefachrecht und Kommunalrecht anwendbar, da zu den Aufgaben der Bauleitplanung auch ihr Beitrag zum Klimaschutz und damit auch ihr Beitrag zum Einsatz erneuerbarer Energien und der Energieeffizienz durch Kraft-Wärme-Kopplung gehört […]. Das Energiefachrecht kann sich jedoch in einzelnen Beziehungen im Hinblick auf die Grundsätze der Bauleitplanung insbesondere nach § 1 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 7 auswirken […].“

EZBK/Söfker, 139. EL August 2020, BauGB § 9 Rn. 197a

An Festsetzungen in Bebauungsplänen zu Maßnahmen für die Nutzung von Geothermie werden hohe Ansprüche gestellt. Wobei eine genaue Differenzierung des tatsächlich Gewollten und des tatsächlich Erreichbaren vorgenommen werden muss.

„Die Festsetzungen nach Nummer 23 Buchstabe b) müssen sich auf die Errichtung von Gebäuden und bestimmten sonstigen baulichen Anlagen beziehen. […] Aus der Formulierung „bestimmte“ sonstige bauliche Anlagen ist keine Einschränkung zu entnehmen; sie berücksichtigt, dass nicht alle, sondern nur bestimmte sonstige baulichen Anlagen für Festsetzungen nach Nummer 23 Buchstabe b) in Betracht kommen. […]

Die Festsetzungen nach Nummer 23 Buchstabe b) beziehen sich auf die Errichtung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen. Sie können nicht auf bereits errichtete Gebäude und auch nicht auf deren Änderung erstreckt werden. Gleiches gilt im Fall einer Nutzungsänderung eines bestehenden Gebäudes, weil es bereits errichtet ist. Anders ist dies bei der Neuerrichtung eines Gebäudes; es handelt sich dabei um die Errichtung eines Gebäudes, das zuvor beseitigt (rückgebaut) worden ist. Im Fall der Erweiterung eines Gebäudes kann sich die Festsetzung auf den Erweiterungsbau beziehen. Die gleichen Grundsätze gelten bezüglich sonstiger baulichen Anlagen, die nicht Gebäude sind.

Die Festsetzungen beinhalten bestimmte Maßnahmen für den Einsatz von erneuerbaren Energien und die Kraft-Wärme-Kopplung. Erneuerbare Energien sind Energien aus fester, flüssiger und gasförmiger Biomasse, aus solarer Strahlungsenergie, aus Geothermie, aus Umweltwärme und aus Windenergie. Die für den Einsatz der erneuerbaren Energien in Betracht kommenden Vorgänge sind in Nummer 23 Buchstabe b) mit Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme und Kälte bezeichnet. Diese Vorgänge sowie die dafür erforderlichen Anlagen und Einrichtungen sind umfassend zu verstehen. […]

Eine Begrenzung dieser zunächst weiten Festsetzungsmöglichkeit ergibt sich daraus, dass sie sich auf Maßnahmen beziehen, die "bei der Errichtung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen" getroffen werden müssen. Die Maßnahmen für den Einsatz erneuerbarer Energien und die Kraft-Wärme-Kopplung beziehen sich somit darauf, dass die aus ihnen gewonnene Energie im Gebäude Verwendung finden kann, im Fall der sonstigen baulichen Anlagen, dass diese für den Einsatz der erneuerbaren Energien, vor allem, weil sich dies technisch anbietet, genutzt werden. Eine Festsetzung nach Nummer 23 Buchstabe b) ist daher nicht etwa in der Weise möglich, dass sie losgelöst von der Errichtung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen getroffen werden kann. […]

Diese baulichen und sonstigen technischen Maßnahmen sind in der Festsetzung konkret zu bezeichnen; sind müssen hinreichend bestimmt sein. Sie müssen sich auf die ebenfalls in der Festsetzung zu bestimmenden Gebäude (Wohngebäude, Gewerbebauten) und sonstigen baulichen Anlagen, die nicht Gebäude sind, beziehen.

Inhalt der Festsetzung ist schließlich, dass die in der Festsetzung bezeichneten baulichen und technischen Maßnahmen getroffen werden müssen. Damit wird durch Festsetzung im Bebauungsplan bestimmt, dass bei der Errichtung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen diese Maßnahmen durchzuführen sind. Die Festsetzung beinhaltet allerdings nicht die Pflicht zur Nutzung für den Einsatz von erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung vorgenommenen Maßnahmen.“

EZBK/Söfker, 139. EL August 2020, BauGB § 9 Rn. 197b

Die Festsetzung in Bebauungsplänen zu Maßnahmen für die Nutzung von Geothermie müssen städtebaulich begründet werden.

„Ob und inwieweit Festsetzungen nach Nummer 23 Buchstabe b) in Betracht kommen, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen der Bauleitplanung, insbes. nach dem planerischen Konzept der Gemeinde und den Erfordernissen der Abwägung (§ 1 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 7 BauGB). Als städtebaurechtliche Vorschrift erfordern die Festsetzungen das Vorliegen städtebaulicher Gründe. Da sie auf den Einsatz erneuerbarer Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung ausgerichtet sind, entsprechen sie den Aufgaben und Grundsätzen der Bauleitplanung i. S. d. § 1 Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 Nummer 6 Buchstabe f und § 1a Absatz 5 BauGB […]. Aus dem Verhältnis zum Energiefachrecht und ggf. auch zum gemeindlichen Anschluss- und Benutzungszwang mit deren Verpflichtungen zur Nutzung von erneuerbaren Energien und ggf. der Kraft-Wärme-Kopplung […] ergeben sich allerdings besondere Anforderungen. […] Die sich aus den Festsetzungen ergebenden Verpflichtungen, bei der Errichtung der Gebäude und sonstigen baulichen Anlagen die festgesetzten Maßnahmen zu treffen, führen aber - auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit solcher Eigentumsbindungen i. S. d. Artikel 14 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Grundgesetz (GG) - in einer Weise zu Vermögensdispositionen, die es rechtfertigt, anzunehmen, dass die Maßnahmen, sind sie einmal vorgenommen, auch tatsächlich für die Energiegewinnung genutzt werden. Dies kann im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Festsetzungen (§ 1 Absatz 3 Satz 1 BauGB) und das Abwägungsgebot (§ 1 Absatz 7 BauGB) Fragen aufwerfen.“

EZBK/Söfker, 139. EL August 2020, BauGB § 9 Rn. 197c

„Nach den genannten Grundsätzen der Bauleitplanung kann von Bedeutung sein, ob Festsetzungen nach Nummer 23 Buchstabe b) den Anforderungen des Abwägungsgebots entsprechen, und zwar im Hinblick auf:

Erforderlichkeit - z. B. im Verhältnis zu den ohnehin bestehenden energiefachrechtlichen Verpflichtungen -,

Durchführbarkeit - Festsetzungen dürfen nicht getroffen werden, wenn mit ihrer Verwirklichung auf Dauer aus technischen und wirtschaftlichen Gründen nicht gerechnet werden kann -,

Geeignetheit - die Festsetzungen müssen tatsächlich geeignet sein, den angestrebten Zweck in Bezug auf die Nutzung erneuerbarer Energien und die Energieeffizienz zu erreichen - und

Verhältnismäßigkeit - die Festsetzungen dürfen nicht außer Verhältnis stehen zu dem angestrebten Zweck. Danach kann problematisch sein, wenn die Festsetzungen allein auf Gründe gestützt werden, die schon bei den bei Durchführung der Maßnahmen anzuwendenden verpflichtenden Regelungen des EEWärmeG Berücksichtigung gefunden haben. Ebenso kann es sich verhalten, wenn sich die Festsetzung - was naheliegt - auf den Einsatz einer bestimmten erneuerbaren Energie oder einer bestimmten Anlage der Kraft-Wärme-Kopplung bezieht, das EEWärmeG aber die Wahlfreiheit zwischen verschiedenen erneuerbaren Energien oder Ersatzmaßnahmen (Anschluss an Nah- oder Fernwärmeversorgungsanlagen oder Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung) zulässt. […] Anders ist dies, wenn das Energiefachrecht keine Verpflichtungen regelt, etwa zum Einsatz von Photovoltaikanlagen, die der Erzeugung von Strom zur Einspeisung in das öffentliche Netz dienen. Mit Rücksicht darauf kann den Festsetzungen Bedeutung zukommen, um die sich aus dem Energiefachrecht oder aus dem durch Satzung eingeführten Anschluss- und Benutzungszwang ergebenden Verpflichtungen planungsrechtlich abzusichern. Gleiches gilt im Hinblick auf Verpflichtungen aus städtebaulichen Verträgen.

Zu berücksichtigen ist weiter, dass auf konkrete Techniken bezogene Festsetzungen durch die Entwicklungen in diesen Bereichen überholt werden können. Insofern kann Bedeutung haben, dass sich die Festsetzungen hinsichtlich der technischen Einzelheiten zurückhalten, um einen Änderungsbedarf zu diesen Festsetzungen oder ggf. ein Obsoletwerden der Festsetzungen zu vermeiden.“

EZBK/Söfker, 139. EL August 2020, BauGB § 9 Rn. 197d

Im Übrigen ist in Zukunft nicht auszuschließen, dass Gebäude so effizient und nachhaltig errichtet werden, dass der Restwärmebedarf der Gebäude am sinnvollsten über Solarstrom bzw. Wasserstoff erzeugt werden kann. Insofern ist der Aspekt der Wirtschaftlichkeit – sowohl für spätere Energieversorgungsnetzbetreiber als auch für die jeweiligen Anschlussnehmerinnen und Anschlussnehmer – nicht außer Acht zu lassen.

Auch unter gewässerökologischen Aspekten bedarf die Geothermie einer genauen Risikoabwägung, da mit der Geothermie unmittelbare Auswirkungen auf das Grundwasser - unsere mit Abstand wichtigste Trinkwasserquelle - verbunden sind. Durch Temperaturveränderungen des Grundwassers kann das ökologische Gleichgewicht des Grundwasserhaushalts nachhaltig geschädigt werden. Deshalb gilt auch für diese Technologie, dass eine ganzheitliche Betrachtung anzustellen ist. Von einer unkritischen allgemeingültigen Forderung nach einer flächendeckenden Geothermienutzung in allen neuen Baugebieten sollte Abstand genommen werden.

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