Vogel- und Insektensterben in und um Osnabrück

Anfrage Fraktion Bündnis 90/Die Grünen TOP 18.3

30.05.17 –

Die Zahl der Vögel in Deutschland und Europa geht dramatisch zurück. Vor allem Vögel, die in Agrarlandschaften leben, sind zunehmend bedroht. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen hat die Bundesregierung die Zahlen zusammengetragen: Insgesamt ist in der EU die Zahl der Brutpaare in den landwirtschaftlichen Gebieten zwischen 1980 und 2010 um 300 Millionen zurückgegangen. Das ist ein Minus von 57 Prozent.

In Deutschland zeigt ein Drittel aller Vogelarten seit Ende der 90er-Jahre "signifikante Bestandsabnahmen". So hat zum Beispiel der Bestand der Kiebitze zwischen 1990 und 2013 um 80 Prozent abgenommen, die Zahl der Braunkehlchen um 63 Prozent, die der Uferschnepfen um 61 Prozent und die der Feldlerchen um 35 Prozent. Die Zahl der Rebhühner hat zwischen 1990 und 2015 sogar um 84 Prozent abgenommen.

Als Gründe für das Vogelsterben nennt die Bundesregierung unter anderem das Fehlen geeigneter Lebensräume und das fehlende Angebot an Nahrung. Vielen Vögeln dienen Insekten als Nahrung, doch bei diesen ist ebenfalls ein massives Artensterben zu beobachten. Denn auch Insekten fehlt es durch den Einsatz von Unkrautvernichtern an Lebensraum und Nahrung, oder sie werden gezielt durch Insektengifte vernichtet. Bei einigen Insektenarten ist der Bestand um 90 Prozent zurückgegangen, einige Arten sind bereits ganz verschwunden. Das Insekten- und Vogelsterben steht in direktem Zusammenhang mit dem Einsatz von Herbiziden und Insektiziden in der intensiven und industrialisierten Landwirtschaft. Dies räumt auch die Bundesregierung in ihrer Antwort ein.

Die Verwaltung beantwortet die Fragen wie folgt:

1. Welche Erkenntnisse liegen der Stadt hinsichtlich des Vogel- und Insektensterbens im Stadtgebiet in dem Zeitraum von 1990 bis 2017 vor?

Die Bestandssituation der Vogelarten der Agrarlandschaft ist auch für das Gebiet der Stadt Osnabrück als ungünstig einzustufen. Die meisten Feldvogelarten stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Arten und sind zum Teil vom Aussterben bedroht.

Konkret kann der Rückgang der Brutpaare für das Gebiet der Stadt Osnabrück durch den Vergleich zwischen den Ergebnissen der in den Jahren 2000-2002 erfolgten gesamtstädtischen Brutvogelkartierung und denen der in der Brutsaison 2011 speziellen Erfassung des Feldvogelvorkommens belegt werden. Untersuchungszielarten waren bei der letztgenannten Erfassung die typischen Acker- und Wiesenbrüterarten Kiebitz, Feldlerche, Rebhuhn und Wachtel. Bei der gesamtstädtischen Brutvogelkartierung in den Jahren 2000-2002 wurde der Kiebitz noch mit insgesamt 87 Brutpaaren erfasst. Im Jahr 2011 konnten in dem Gebiet der Stadt Osnabrück nur noch 52 Brutpaare erfasst werden. Dies bedeutet einen Rückgang des Kiebitzes um 40 %. Bei der Feldlerche konnte zwischen den beiden Untersuchungen sogar ein Bestandrückgang von 77 % (85 Brutpaare in 2000-2002 und 23 Brutpaare in 2011) festgestellt werden. Brutpaare des Rebhuhns konnten im Jahr 2011 gar nicht mehr kartiert werden. Zuvor wurde die Art noch mit insgesamt 18 Brutpaaren erfasst. Allerdings konnten in den letzten drei Jahren wieder Rebhühner im Bereich Osnabrück-Hafen und in Darum beobachtet werden (www.ornitho.de ;).

Auch der Bestand der Wachtel nahm leicht ab. Bei der gesamtstädtischen Brutvogelkartierung wurden 3 Rufer aufgenommen. In der Brutsaison 2011 konnten nur noch 2 Rufer vernommen werden.

Auch ein deutlicher Rückgang der Insektenfauna wird in der Stadt Osnabrück über die letzten Jahre bis heute von Fachleuten festgestellt. Laut Aussagen von Herrn Prof. Dr. Herbert Zucchi, Professor für Zoologie an der Hochschule Osnabrück, könne ein deutlicher Rückgang von Insektenarten in der Stadt über die Jahre beobachtet werden. Seit 1993 führe er immer wieder stichprobenartige Untersuchungen auf ausgewählten Flächen durch, die zeigen würden, dass z. B. die Zahl der Tagfalter, eine nicht besonders anfällige Artengruppe gegenüber Veränderungen, mit typischen Arten wie Admiral oder Tagpfauenauge, stetig abnehme. Heute sei nur noch maximal 1/10 an Tagfaltern im Vergleich zum Jahr 1993 im Stadtgebiet vorhanden.

Mitglieder des Entomologischen Vereins Krefeld e.V. erforschen seit 1989 in Naturschutzgebieten sowohl in und um Krefeld als auch in Gebieten außerhalb von Nordrhein-Westfalen regelmäßig den Insektenbestand. Die Forschungsergebnisse bestätigen einen Rückgang des Insektenvorkommens von etwa 80 % in den letzten Jahrzehnten. Es ist davon auszugehen, dass diese Forschungsergebnisse auch auf Osnabrück übertragen werden können. Konkrete Untersuchungen für das Stadtgebiet liegen jedoch nicht vor.

2. Welche Gründe sind hierfür im Wesentlichen zu benennen?

Bundesweit wird der Flächenverbrauch für Bauland und Infrastrukturanlagen als eine wesentliche Ursache für den Artenschwund und den Rückgang der Bestandszahlen bei Insekten und Vögeln genannt. In der Stadt Osnabrück hat es laut Landesamt für Statistik Niedersachsen eine Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsflächen von 5644 ha (Stichtag 31.12.1996) auf 5.955 ha (Stichtag 31.12.2015), somit um 311 ha gegeben. Bezogen auf die Gesamtfläche der Stadt Osnabrück von 11.980 ha ist das in 19 Jahren eine Zunahme um 2,6%.

Eine weitere wesentliche Ursache ist in der industriellen Landwirtschaft zu suchen, die durch den Anbau großflächiger Monokulturen zu einer Verarmung der Strukturvielfalt in der Kulturlandschaft und damit zum Verlust an Lebensraum und Nahrungsquellen für Insekten und Vögel führt. Darüber hinaus sind viele in der Landwirtschaft verwendete Spritzmittel (Neonicotinoide/ Glyphosat u.a.) ein Grund für den Rückgang der Artenvielfalt auf Ackerböden und in deren Umgebung. Aber auch die Verwendung von Bioziden und übertriebener Ordnungssinn in Privatgärten führen zu insektenfeindlichen Monokulturen, wo eigentlich gerade im urbanen Raum Rückzugsräume für Insekten existieren könnten.#

Mit dem Insektensterben eng verbunden ist der Rückgang der Artenvielfalt und der Zahl heimischer Vogelarten, für die Insekten eine der Hauptnahrungsquellen darstellen. Die zuvor genannten Ursachen für das Insektensterben sind somit auch Hauptursachen für das „Vogelsterben".

Hinzu kommen aber auch noch andere Gründe, wie beispielsweise der Vogelschlag an verglasten und verspiegelten Gebäuden (potentiell alle Vogelarten), an Eisenbahnzügen und im Straßenverkehr (besonders große Greifvögel). Dem Vogelfang in den Staaten rund um das Mittelmeer fallen lt. www.spectrum.de ; jährlich 25 Millionen Zugvögel zum Opfer. In Deutschland kommen als weitere Gefahren für Vögel wildernde Hauskatzen und natürliche Prädatoren wie Marder, Eichhörnchen und Rabenvögel hinzu. Auch Abriss und Sanierung von Gebäuden führen zur Beseitigung von Lebensräumen für gebäudebrütende Vogelarten wie Haussperling, Schwalben oder Mauersegler. In Zukunft sind jedoch die größten Artenverluste durch den Klimawandel zu befürchten.

3. Welche Möglichkeiten sieht die Stadt dem Artensterben wirksam zu begegnen, welche werden davon vor Ort derzeit mit welchen Mitteln umgesetzt und welche weiteren Maßnahmen gegen das Artensterben sind geplant?

Viele der zuvor genannten Gründe für das Insekten- und Vogelsterben sind nicht durch Maßnahmen auf Stadtebene zu beeinflussen. Im Wesentlichen beschränken sich daher wirksame Möglichkeiten, dem Artensterben zu begegnen, auf Maßnahmen, die die Stadt auf eigenen Flächen oder in Kooperation mit Landwirten umsetzen kann. Darüber hinaus werden Aktivitäten im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit als sinnvoll erachtet.

Aktuelle Maßnahmen

Osnabrücker BienenBündnis:

Im Jahr 2013 beauftragte der Stadtrat die Verwaltung, Maßnahmen gegen das Bienensterben und somit gegen das Sterben blütenbesuchender Insekten insgesamt zu entwickeln. Aus diesem Auftrag heraus entwickelte sich das Osnabrücker BienenBündnis, in dem unter Federführung des Fachdienstes Naturschutz und Landschaftsplanung verschiedenen Institutionen und Verbände mitwirken. Das Bündnis erarbeitet Maßnahmen um dem anhaltenden Artenschwund entgegenzuwirken. So werden mit der Anlage mehrjähriger Blühflächen, bestehend aus speziell für den hiesigen Raum durch die Hochschule Osnabrück erarbeiteter Osnabrücker Wildblumenmischung, selten gewordene Wildkräuter in die Landschaft gebracht. Die Stadt selbst hat bisher etwa 8 ha Fläche mit dieser aus 44 Wildpflanzen bestehen Mischung angelegt. Darunter ist auch die Anlage eines Blühstreifens innerhalb des neuangelegten Grünzuges am Limberg.

Auch städtische Wegeparzellen, die in der Vergangenheit überpflügt wurden, werden für die Anlage von Hecken und Blühstreifen zurückgewonnen (bisher 1.750qm). Für die Anlage von Blühflächen entstanden bisher Kosten in Höhe von ca. 10.000 €, die aus dem städtischen Haushalt finanziert wurden.

Bürgerinnen und Bürger können die Osnabrücker Wildpflanzenmischungen an ausgewiesenen Verkaufsstellen für den eigenen Garten ebenfalls käuflich erwerben. Weiterhin werden in Zusammenarbeit mit der BUND-Kreisgruppe Osnabrück an geeigneten Stelle Nisthilfen für Wildbienen aufgestellt. Unter Vermittlung der Landwirtschaftskammer haben örtliche Landwirte im Stadtgebiet etwa 45 ha einjährige Blühflächen angelegt, u.a. finanziert durch Agrarumweltmaßnahmen des Landes.

Um die Pflege öffentlicher Flächen zukünftig mehr an ökologischen Kriterien zur Förderung der Artenvielfalt zu orientieren, wurden zwischen dem OSB (Grün/-und Gewässerunterhaltung und Bauhof) und dem Fachdienst Naturschutz und Landschaftsplanung naturschutzfachliche Standards und Anforderungen abgestimmt sowie eine mögliche Anpassung des Fuhrparkes an eine ökologisch orientierte Bewirtschaftungsweisen eruiert.

Zur Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit wurden ein Internetauftritt www.osnabrueck.de/bienenbuendnis ; und weitere Informationsmaterialien entwickelt (Kosten insgesamt ca. 7.500€). Der OSB verteilt als Werbemittel kostenlose Samentütchen mit der Osnabrücker Wildblumenmischung (Kosten ca. 3.400 €). Die Hochschule veranstaltet im Rahmen ihres Projektes „Vom BienenBündnis zur Bienenstadt" zahlreiche Exkursionen und Informationsveranstaltungen. Die Kosten wurden mit Projektmitteln finanziert.

Für das Osnabrücker BienenBündnis erhielt die Stadt Osnabrück den Naturschutzpreis 2016 des Bündnisses „Kommunen für biologische Vielfal"t. Weiterhin wurde die Stadt Osnabrück im Niedersächsischen Wettbewerb „Summende Kommune 2016" mit dem 2. Platz ausgezeichnet.

Prävention von Vogelschlag an städtischen Gebäuden:

Aufgrund eines Auftrages aus dem damaligen Ausschuss für Umwelt und Feuerwehr wird seit 2006 bei Um- und Neubauten städtischer Gebäude eine Prüfung von vorbeugenden und nachträglichen Maßnahmen zur Verhinderung des Vogelschlags vorgenommen.

Weitere Maßnahmen

Schon seit Längerem hält die Verwaltung Infoflyer zum Thema „Artenschutz bei der Gebäudesanierung" und „Artenschutz beim Gehölzschnitt" (gedruckt und im Internet veröffentlicht) bereit, in denen es insbesondere um den Schutz der heimischen Vogelarten geht. Zum Tagesgeschäft der Unteren Naturschutzbehörde gehört auch die intensive telefonische Beratung zum Artenschutz und in den Sommermonaten insbesondere zum Schutz der Hautflügler.

Perspektive

Osnabrücker BienenBündnis:

Die Maßnahmen des Osnabrücker BienenBündnisses zur Schaffung von Nahrungsquellen und Lebensräumen für blütenbestäubende Insekten werden fortgeführt.

Als weitere Schritte sollen zukünftig die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des OSB, die vor Ort mit der Flächenpflege betreut sind (Mäher-/und Schlepperfahrer etc.), bezüglich der speziellen Pflegeanforderungen von Blüh- und extensiven Grünflächen geschult werden. Um auch jene Flächen zu erfassen, die beispielsweise in Randstrukturen (Gräben, Grünstreifen, Bankette etc.) wertvolle Pflanzen und Tierbestände aufweisen, wird derzeit ein GIS-gestütztes Kataster aufgebaut, um die erforderliche Unterhaltung den spezifischen Gegebenheiten (z.B. Blühzeiten) anpassen zu können.

Produktionsintegrierte Kompensation (PIK):

Um die Lebensbedingungen von Insekten und Vögeln auch außerhalb städtischer Flächen zu verbessern, ist eine Kooperation mit der örtlichen Landwirtschaft erforderlich. Hierzu könnte das Instrument der produktionsintegrierten Kompensation dienen. Bislang wird in der Stadt Osnabrück die Kompensation von Eingriffen in Naturhaushalt und Landschaftsbild, wie sie beispielsweise im Rahmen der Bauleitplanung zu berücksichtigen ist, auf Flächen umgesetzt, die anschließend nicht oder sehr eingeschränkt -meist als extensives Grünland- genutzt werden können. Besonders die gefährdeten Offenlandarten bzw. Ackerwildkräuter benötigen jedoch eine ackerbauliche Nutzung, die allerdings auf die Lebensbedingungen dieser Arten abgestimmt werden muss. Hier können geeignete Maßnahmen wie geringere Aussaatstärken, Ackerrandstreifen, Lerchenfenster, Brachstreifen oder die Anlage von Blänken (Tümpel) unter grundsätzlicher Beibehaltung der landwirtschaftlichen Nutzung stattfinden. Laut Aussagen der Landwirtschaftskammer bestehe ein grundsätzliches Interesse örtlicher Landwirte an dieser Art der Kooperation.

Bislang wurde seitens der Verwaltung dieser Weg zur Kompensation von Eingriffen noch nicht verfolgt, da die Maßnahmen sich an den bestehenden Betriebsstrukturen orientieren und deshalb auf jährlich wechselnden Flächen stattfinden müssen. Andererseits müssen gem. den gesetzlichen Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes die Ausgleichsmaßnahmen rechtlich gesichert sein, solange der Eingriff andauert (i.d.R. dauerhaft) Bei u.U. jährlich wechselnden Standorten ergibt sich daraus ein erheblicher Betreuungs- und Kontrollaufwand, der mit der derzeitigen personellen Ausstattung der Unteren Naturschutzbehörde nicht zu leisten ist.

Öffentlichkeitsarbeit:

Der Fachbereich Umwelt und Klimaschutz beteiligt sich an einem Projekt des Bundesamtes für Naturschutz, in dem es um die Berücksichtigung von Naturschutzbelangen in Energie- und Klimaschutzprojekten geht. Als eigenen Beitrag plant die Stadt Osnabrück im nächsten Jahr eine Fachveranstaltung für Architekten und Handwerksbetriebe zum Thema „Artenschutz bei der energetischen Gebäudesanierung", in der es auch um den Erhalt und die Schaffung von Nistmöglichkeiten für gebäudebrütende Vogelarten gehen wird. Im Vorfeld wird in 2017 ein Kalender erarbeitet, der mit entsprechenden Beiträgen hierzu informiert. Diese Maßnahmen werden mit Projektgeldern des BfN finanziert.

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