Sport- und Bewegungsangebote für alte, pflegebedürftige und demenzkranke Menschen

17.05.11 –

Kraft- und Ausdauertraining mit alten Menschen wird von Sportwissenschaftlern und Gerontologen schon seit längerer Zeit empfohlen, weil es das Herz-Kreislauf-System stärkt, die Sauerstoffaufnahme des Blutes verbessert und den Verlauf von alterstypischen Erkrankungen positiv beeinflussen kann. Regelmäßiges Training stabilisiert zudem Knochenbau und Muskulatur.

Die Sozial-Holding der Stadt Mönchengladbach beispielsweise hat als Träger von sechs städtischen Altenheimen Bewegungsangebote in das Programm für die Bewohner der städtischen Altenheime integriert und ist dabei, dort Fitnessräume für regelmäßige Angebote einzurichten.

Förderlich sind Bewegungsprogramme auch für Menschen mit Demenz. Einige Kommunen in NRW beteiligen sich beispielsweise am Programm NADIA („Neue Aktionsräume für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen“), das die Sporthochschule Köln entwickelt hat. Ziel dieses Bewegungsangebotes für an Demenz Erkrankte ist es, durch spezielles Training die Leistung der einfachen Alltagsaufgaben deutlich zu verbessern, durch soziale Kontakte und gemeinsame Aktivität mit den Angehörigen die Lebensfreude zu steigern.

Auch Angehörige können ihre körperliche Leistungsfähigkeit steigern und erfahren Freude über gemeinsame Erfolgserlebnisse und eine wesentliche Entlastung im Pflegealltag (www.demenzservice-nrw.de).

Die bisherigen Ergebnisse entsprechender Projekte scheinen vielversprechend. Denn – gerade weil hier die Vermittlung weniger über Sprache als über das „Vormachen und Nachahmen“ läuft – sind Menschen mit Demenz in der Lage, neue Übungsinhalte zu erfassen und umzusetzen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:

  1. Inwieweit kann aus Sicht der Verwaltung davon ausgegangen werden, dass die Bedeutung von Sport- und Bewegungsangeboten für alte und pflegebedürftige Menschen – auch für Menschen mit Demenzerkrankungen – in Osnabrücker Heimen erkannt und dementsprechend ausreichend Angebote vorhanden sind?
  2. Inwieweit sind aus Sicht der Verwaltung die Alteneinrichtungen, Stadtteilzentren und beispielsweise die Sportvereine mit ihren Angeboten entsprechend konzipiert, sodass die alten Menschen, die zu Hause leben und an Demenz leiden, zu Sport und Bewegung Anregungen und Teilnahmemöglichkeiten erhalten?
  3. Sieht die Verwaltung hier Verbesserungsbedarf und falls ja: welche Überlegungen gibt es ggf., um mehr Sport- und Bewegungsangebote für alte Menschen – gerade für Menschen mit Demenzerkrankungen – zu initiieren? 

Die Verwaltung beantwortet die Anfrage wie folgt zu Protokoll:

Zu1:

Die Bedeutung entsprechender Angebote ist den Einrichtungsträgern bewusst und Regelungen dazu sind Bestandteil des Rahmenvertrages zur stationären Pflege, in dem die Qualitätsanforderungen beschrieben sind. In Bezug auf das hier angesprochene Thema ist eins der wesentlichen Ziele, Immobilität zu vermeiden.

Alle Osnabrücker Einrichtungen, auch die der Tagespflege, haben im Rahmen der Tagesstruktur regelmäßig Sport- und Bewegungsangebote – auch für demenzkranke Menschen – im Angebot. 

Zu 2:

Die Thematik tangiert mehrere Organisationseinheiten der Verwaltung, die den Sachstand dazu wie folgt beschreiben:

a) Seniorenservice-Büro

Vom Januar bis Oktober 2010 war die Stadt Osnabrück mit dem Seniorenservicebüro in den Stadtteilen Atter, Eversburg und Pye als Modellregion am Modellprojekt „Bewegungsnetzwerk 50plus“ beteiligt. Dieses war ein vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) initiiertes und dem Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördertes Projekt.

Für das Teilprojekt in Niedersachsen bestand die wichtigste Maßnahme in der Vernetzung von Sportvereinen mit Organisationen der Gesundheitsförderung und Seniorenarbeit im kommunalen Raum, mit dem Ziel der Strategieentwicklung zum Aufbau von Sport- und Bewegungsangeboten für Ältere. Zum kommunalen Netzwerk gehörten neben dem koordinierenden Landessportbund (LSB) die Stadt Osnabrück, der StadtSportBund Osnabrück e. V. sowie das Seniorenservicebüro der Stadt Osnabrück.

Zum Projektauftakt führte der LSB in den genannten Stadtteilen eine Befragung der Zielgruppe durch, um das Sport- und Bewegungsverhalten der Bevölkerung 50plus und deren Sportwünsche zu ermitteln. Die Befragungsergebnisse können im Seniorenservicebüro abgefragt werden.

Die wichtigsten Ergebnisse im Hinblick auf eine bessere Inanspruchnahme, Vereinsbindung oder Gewinnung aktiver Älterer für Sport- und Bewegungsangebote:

  • Den größten Rücklauf hatte der Fragebogen in der Altersgruppe der 50- bis 70-Jährigen.
  • 77 % der Antwortenden treiben mindestens 1 x pro Woche Sport, 11 % überhaupt nicht.
  • Auf Platz 1 der nicht angebotenen, gewünschten Sportarten rangieren Angebote im Bereich Gesundheitssport.
  • Eines der meist genannten Hindernisse für die Teilnahme an Bewegungsangeboten ist die Ablehnung, eine dauerhafte Verpflichtung (dauerhafte Bindung an einen Sportverein) einzugehen.
  • Ein großes Defizit wird in der ausreichenden Information der Bürgerinnen und Bürger über bestehende Angebote gesehen.
  • Großes Potenzial wird in der öffentlichkeitswirksamen Darstellung vorhandener Angebote, einer gezielteren Ansprache der Zielgruppe sowie in einer bedarfsgerechteren Ausgestaltung der Angebote gesehen. 

Erste Initiativen aus dem Bewegungsnetzwerk:

  • Einrichtung einer neuen Rehasportgruppe in einem Eversburger Sportverein.
  • Planung eines AGIL-Sporttages für Seniorinnen und Senioren (Aktiv und Gesund in der 2. Lebenshälfte) für Herbst 2011.
  • Im Bereich der Mobilitätsprobleme: Erprobung eines Bewegungsangebotes im Rahmen eines Eversburger Kirchenkreises.

b) Seniorenbeauftragter

Sowohl Sportvereine, Kirchengemeinden, Gemeinschaftszentren, die Lagerhalle und die Musik- und Kunstschule bieten Sport-, Sing-, Spielgruppen und Gymnastik für Senioren mit leichteren Handicaps an.

Die Sportvereine machen sich infolge des demographischen Wandels sehr konkret Gedanken zu speziellen Fitnessaktionen und Gruppenangeboten für Senioren mit demenziellen Erkrankungen.

In den Seniorenwochen bietet der SSC Dodesheide einen Schnuppertag für Senioren an, um seine Angebote in diesem Bereich bekannter zu machen. Nach Auswertung der Veranstaltung in 2011 ist geplant, im nächsten Jahr weitere Sportvereine mit ihren Angeboten für Senioren einzubeziehen. 

c) Fachbereich Schule/Sport

Für alte Menschen bestehen zahlreiche Angebote in den Sportvereinen in Form von zum Beispiel 50plus, Asthmasport, Gesundheitssport, Herzsport, Morbus-Bechterew-Sport, Osteoporose-Sport, Reha-Sport, Seniorensport, Venentraining, Sturzprophylaxe.

Speziell für pflegebedürftige und demenzkranke Menschen bieten die Stadtteilzentren und Sportvereine der Stadt Osnabrück bieten zur .Zeit  jedoch noch keine (Dauer-) Angebote an. 

Zu 3:

Verbesserungspotenzial und -bedarf besteht sicherlich, speziell im Hinblick auf demenzkranke Menschen. Folgende Überlegungen bzw. Initiativen gibt es in den betroffenen Organisationseinheiten: 

a) Seniorenservicebüro

Erste Initiativen aus dem Bewegungsnetzwerk:

  • Einrichtung einer neuen Rehasportgruppe in einem Eversburger Sportverein.
  • Planung eines AGIL-Sporttages für Seniorinnen und Senioren (Aktiv und Gesund in der 2. Lebenshälfte) für Herbst 2011.

Im Bereich der Mobilitätsprobleme:

Erprobung eines Bewegungsangebotes im Rahmen eines Eversburger Kirchenkreises 

b) Seniorenbeauftragter

Als niedrigschwelliges Angebot wären zum Beispiel Spiel- und Bewegungsgruppen, ein Alzheimer Tanzcafe für Angehörige und Betroffene, angeboten durch ehrenamtliche Personen der Freiwilligenagentur oder des Seniorenservicebüros, wünschenswert. 

c) Fachbereich Schule/Sport

Die demenzkranken Menschen, die sich nicht bereits in Heimbetreuung befinden, sind grds. auf betreuende Angehörige angewiesen. Diese sind oftmals bereits mit den Alltagsaufgaben ausgelastet. Diejenigen, die sich in den zwei Osnabrücker Selbsthilfegruppen organisieren, treffen sich u. a. einmal in der Woche, wobei eine Therapeutin auch für Bewegung sorgt und den Angehörigen Tipps für die häusliche Pflege gibt (www.alzheimer-os.de).

An Eigeninitiative fehlt es auch oft, weil Menschen mit Demenz zuweilen weniger Lust zu Bewegungsaktivitäten haben. Dies kann mit der Düsterkeit und Depression zusammenhängen, die im Anfangsstadium der Demenz gewöhnlich auftreten (www.sportgesundheit.eu/demenz_alzheimer.htm).

Dennoch profitieren demenzkranke Menschen grundsätzlich von Bewegung.

Spezielle Trainingsgruppen für demenziell Erkrankte sind bislang in Deutschland leider wenig etabliert. Das Krankheitsbild Demenz ist bislang keine eigene Indikation für Rehabilitationssport. Reha-Sport kann aber grundsätzlich in Betracht kommen, wenn spezielle Anforderungen an die Besonderheiten (Konzentrationsstörung, defizitäre Balance und Kraft) beachtet werden (www.bewegung-bei-demenz.de).

Es gibt in Deutschland derzeit kein einheitliches Ausbildungskonzept für entsprechende Übungsleiter. Selbst der Behindertensportverbund und der Turnerbund bieten noch keine konkreten Maßnahmen an.

Die Frage des konkreten Bedarfs an Angeboten lässt sich insbesondere von den Institutionen, deren tägliche Arbeit unter anderem die Pflege und Betreuung demenzkranker Menschen beinhaltet, feststellen, die dann entsprechende Projekte initiieren und leiten sollten.

Der Fachbereich Schule/Sport sieht seine Rolle in diesem Zusammenhang daher nicht vorrangig in der Initiierung von Angeboten, sondern in einer Beteiligung bzw. Unterstützung derartiger Initiativen und Programme.

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