Appell an die Landesregierung für eine bessere Betreuungssituation in Kindertagesstätten

Appell an die Landesregierung für eine bessere Betreuungssituation in Kindertagesstätten / Antrag von CDU- und BOB-Fraktion / Änderungsantrag der Gruppe Grüne/SPD/Volt in der Ratssitzung am 25.04.2023

25.04.23 –

Beschluss:

Der Rat der Stadt Osnabrück richtet den dringenden Appell an die niedersächsische Kultusministerin Frau Julia Willie Hamburg, umgehend dem Fachkräftemangel im sozialen und pädagogischen Bereich in den Kindertagesstätten entgegenzuwirken.

Im niedersächsischen Koalitionsvertrag für die Regierungszeit 2022-2027 heißt es ab Seite 53 ff., dass Fachkräfte für das System der frühkindlichen Bildung durch eine zielgerichtete Initiative zur Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland gewonnen, Verfahren zur Anerkennung von Abschlüssen beschleunigt und Hürden beim Einstieg in den Beruf abgebaut werden sollen. Darüber hinaus sollen Erleichterungen beim Quereinstieg ermöglicht werden. Weiterhin wird betont, dass bedarfsgerechte Betreuungszeiten und eine wohnortnahe Betreuung vorangetrieben werden sollen.

Trotz aller bisherigen Bemühungen wird täglich in den Medien berichtet, dass aufgrund des Personalmangels Kita-Gruppen geschlossen oder Betreuungszeiten massiv gekürzt werden müssen.

Die Prognosen machen deutlich, dass der Fachkräftemangel sich noch weiter verschärfen wird, sofern nicht umgehend, aktiv und entschlossen Lösungen auf den Weg gebracht werden. Denn nicht nur die Neubesetzung vakanter Stellen ist schwierig, auch aktuell Beschäftigte erklären, dass sie aufgrund ihrer derzeitigen Arbeitssituation erwägen, sich beruflich umzuorientieren.

Wir haben die gesellschaftliche Verantwortung, alles dafür zu tun, dass unsere Kinder die besten Chancen für einen guten Start ins Leben und die bestmögliche frühkindliche Bildung erhalten. Das können wir nur erreichen, wenn die Kinder in den Kindertagesstätten von motiviertem, gut ausgebildetem Personal betreut werden. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, bitten wir das Land Niedersachsen dringend um Unterstützung und fordern:

  1. Den Ausbau der Ausbildungskapazitäten im Bereich der dualisierten vergüteten Erzieherausbildung und damit der praxisintegrierten Ausbildung
    Die direkte Einbindung von Auszubildenden hilft allen Beteiligten. Die Auszubildenden erhalten während ihrer Lehrzeit eine entsprechende Vergütung, was die Attraktivität des Berufszweiges erhöht und gleichzeitig steht den Einrichtungen zusätzliches Personal zur Verfügung.
     
  2. Trägerübergreifende Springer für die Hauswirtschaft
    Damit Erzieherinnen und Erzieher ihrer originären Aufgabe, der Arbeit mit den Kindern, besser nachkommen können, werden seitens der Kommunen Springkräfte für den Bereich Hauswirtschaft eingestellt, die zum Einsatz kommen, wenn krankheits- oder urlaubsbedingt eine Kraft ausfällt. Es ist nicht hinnehmbar, dass Erzieherinnen und Erzieher oder Leitungen die Aufgaben der Hauswirtschafter im Zweifel übernehmen müssen. Hierfür bitten wir das Land, entsprechende finanzielle Mittel bereitzustellen.
     
  3. Die Entwicklung eines Baukastenprinzips (Modulprinzip) zur leichteren Anerkennung von branchenverwandten Ausbildungen(wie bspw. Ergotherapeuten, Musiktherapeuten, Kinderkrankenschwestern, Entspannungstherapeuten, ausländischen Berufsabschlüssen u.ä.)
    Hier ist nach pragmatischen Lösungen zu suchen. Der Vorteil eines Modulprinzips wie bei den Bachelor- und Masterstudiengängen ist, dass gewisse Module angerechnet werden können und sich somit die Lehrzeit nur auf die Module erstreckt, die nachgeholt werden müssen. Dieses Verfahren wäre effizienter, würde schneller Arbeitskräfte zur Verfügung stellen und wäre damit aufgrund der gezielten und verkürzten Fortbildung auch attraktiver für Berufswechsler. Für die Definition, wer als anerkannte Fachkraft gilt, müssen bundesweit einheitliche und allgemein akzeptierte Standards formuliert und ein länderübergreifendes Verfahren etabliert werden.
     
  4. Das Berufsimage mit gezielten Kampagnen aufwerten</strong</del>>
    Es bedarf gezielter Imagekampagnen, die aktiv dem Bild der „kaffeetrinkenden Basteltante“ entgegenwirken und dem Beruf Erzieher die wertschätzende Anerkennung als systemrelevante Fachkraft zukommen lassen.
     
  5. Anreize zur Vollzeitbeschäftigung schaffen
    Rund 80 % der Erzieherinnen und Erzieher sind in Teilzeit angestellt. Es müssen mehr Anreize geschaffen werden, die Beschäftigung auf eine Vollzeitstelle auszuweiten. Hier bedarf es der direkten Ansprache der Erzieherinnen und Erzieher in den Einrichtungen (z. B. Zusicherung eines Betreuungsplatzes des eigenen Kindes in derselben oder einer nahen Einrichtung)
     
  6. Bürokratie in den Kindertagesstätten abbauen
    Leitungen und auch das pädagogische Personal sind zunehmend mit Dokumentationen, Erstellung von Berichten etc. beschäftigt. Die Bürokratie sollte in den Kindertagesstätten auf ein Minimum reduziert werden, so dass die dafür aufgebrachte Zeit wieder am Kind zur Verfügung steht.
     
  7. Gruppengrößen anpassen
    Mittelfristig muss die Anzahl der zu betreuenden Kinder in den jeweiligen Gruppen reduziert werden, so dass die Arbeit am Kind gestärkt und das pädagogische Personal entlastet wird. Dies ist vor allem vor dem Hinblick stetig wachsender Herausforderung (bspw. Kinder mit besonderen Förderbedarfen) zu berücksichtigen.
     
  8. Kita-Gipfel realisieren
    Die Versorgung unserer Kinder muss in Hannover zur Chefsache werden. Die Kultusministerin sollte dringend gemeinsam mit den Trägervertretern sowie den Beschäftigten und Eltern die Thematik diskutieren und gemeinsam nach Lösungen suchen. Dies gelingt im ersten Schritt mit einer Auftaktveranstaltung als Kita-Gipfel.
     
  9. Kindertagespflege vermehrt einbinden und stärken
    Die Kindertagespflege ist insbesondere für Kinder bis zum dritten Lebensjahr als familiennahe und flexible Betreuungsform gleichberechtigt neben der Betreuung in Einrichtungen zu verstehen. Vor allem im ländlichen Raum ist die Betreuung im U3-Bereich ohne das Engagement von Tagespflegeeltern nicht denkbar – rund 166.000 Kinder werden bundesweit auf diese Weise betreut. Durch gezielte Maßnahmen (attraktive Bezahlung, interessante Aus- und Fortbildung, Werbungskampagnen) muss dafür geworben werden, mehr Menschen als Fachkräfte für die Kindertagespflege zu motivieren und langfristig zu binden. Dies stützt, stärkt und entlastet das gesamte System der Kinderbetreuung.

Gute Bildung für die Kleinsten – Kitakrise gemeinsam meistern

Der Rat der Stadt Osnabrück bekräftigt, dass die gekürzten Kernöffnungszeiten der städtischen Kitas, die der personellen Mangellange geschuldet sind, nur vorübergehend sein sollen. Er bittet die Verwaltung, weitere Maßnahmen zu prüfen, mit denen die Einschränkungen beendet werden können und diese den Gremien zur Beratung vorzulegen. 

Darüber hinaus

  1. bekräftigt der Rat seine Unterstützung für die „Gesamtstrategie gegen den Fachkräftemangel“, die der Fachbereich 51 bereits ergriffen hat (VO/2022/0748). Dazu gehören die trägerübergreifende Fachkräfteimagekampagne "Erziehen lernen" (VO/2020/5165) und das laufende Programm für Quereinsteiger:innen. 
     
  2. appelliert der Rat an die Arbeitgeber:innen in Stadt und Region, die betroffenen Familien zu unterstützen und zu prüfen, welche Möglichkeiten sie haben, um hier ihrerseits zu helfen. 
     
  3. appelliert  der Rat an Bund und Land, die Kommunen noch besser dabei zu unterstützen, damit diese ihrer Aufgabe nach SGB VIII, die Förderung von Kindern in Kita und Kindertagespflege, nachkommen können. 
     
  4. begrüßt der Rat, dass der Bund sich mit dem Kita-Qualitätsgesetz auch weiter an der Finanzierung beteiligt und dass das Land die Förderung der sogenannten Sprach-Kitas übernimmt.
     
  5. unterstützt der Rat den Einstieg und Ausweitung des Landes in die dualisierte Ausbildung, die auch eine Vergütung ermöglicht und fordert das Land auf,

    a. hier noch mehr Kapazitäten und mehr berufsbegleitende Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen sowie die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse und Berufserfahrungen und den Quereinstieg zu erleichtern,
    b. zu prüfen, inwieweit die Wahrnehmung von Aufsichtspflichten durch andere fachlich geeignete Personen, z.B. in den Randstunden bzw. im Krankheitsfall, wie es derzeit die Geflüchtete Kinder-Kindertagesstätten-Betreuungsverordnung (GeflKKiTaBetrVO) erlaubt, noch weiter und zeitlich begrenzt flexibilisiert werden kann.

     
  6. fordert der Rat das Land auf, zu prüfen, wie über die 2021 von SPD und CDU beschlossene NKitaG-Reform der Fachkraft-Kind-Schlüssel durch eine „Dritte Kraft“ bzw. kleinere Gruppen schneller verbessert werden kann.
     
  7. anerkennt der Rat die besonderen Leistungen der Erzieher:innen in den Einrichtungen, sieht die Tarifpartner in der Verantwortung, für angemessene Löhne zu sorgen, und fordert das Land auf, zur Entlastung des pädagogischen Personals Erzieher:innen mehr Verfügungsstunden zu ermöglichen.
     
  8. begrüßt der Rat, dass die Kultusministerin zum 25. Mai die Kita-Verbände und Interessensvertretungen zu einem "Forum Frühkindliche Bildung“ (Kita-Gipfel) einlädt, um die bisherigen Maßnahmen zu überprüfen und weitere Maßnahmen zu diskutieren, wie personelle Engpässe überbrückt werden können, ohne dabei die Bildungsqualität zu gefährden.

Sachverhalt:
          
Junge Familien brauchen Unterstützung und kleine Kinder die bestmögliche Bildung. Es ist ein bildungspolitisches Problem, dass dieser Anspruch derzeit häufig nicht erfüllt werden kann. Die Ursachen der jetzigen Misere sind jedoch vielfältig. Hier sind alle politischen Ebenen in der Verantwortung. Wir brauchen einen gemeinsamen Schulterschluss, der die Verwaltung, die Erzieher:innen, die Arbeitgeber:innen sowie die Eltern ausdrücklich mit einbindet. 

Kinder und Eltern leiden bundesweit unter den zu geringen Kapazitäten in Kitas und Kindertagespflege. Trotz deutlichem Ausbau (10% seit 2016; seit 2013 +15%) und einer stark wachsenden Zahl an Erzieher:innen und Ausbildungsplätzen steigt die Nachfrage schneller als das Angebot. Die besonders hohe Absprungquote sowie der hohe Krankenstand infolge der hohen Belastung pädagogischer Kräfte verschärfen den Fachkräftemangel. Hinzu kommt eine wachsende Zahl von Kindern aus der Ukraine.

Aufgrund des anhaltenden Personalmangels in den städtischen Kitas kann der Regelbetrieb gegenwärtig immer öfter nicht mehr garantiert werden. Um den Familien zumindest wieder mehr Verlässlichkeit zu bieten, hatte die Verwaltung die Reißleine gezogen und die Kernöffnungszeiten um zwei Stunden gekürzt. Mit den hierdurch freigewordenen Personalkapazitäten kann allen Familien, die aus beruflichen Gründen auf eine Betreuung angewiesen sind, jetzt eine Betreuung bis 16 Uhr garantiert werden. Dieser pragmatische Ansatz sorgt kurfristig für Verlässlichkeit, ist jedoch ein klarer Rückschritt für die Bildungsgerechtigkeit und für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Seit einiger Zeit arbeiten Politik und städtische Verwaltung gemeinsam an der Umsetzung einer Gesamtstrategie gegen den Fachkräftemangel im Kita-Bereich in Osnabrück. Hier hat es in den letzten Jahren bereits große Anstregungen gegeben. Kurzfristig gilt es, alle Möglichkeiten für eine Linderung der Kita-Krise zu nutzen, mittelfristig werden die auf den Weg gebrachten Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung, -bindung und Weiterqualifikation ihre Wirkung entfalten.

 

gez. Volker Bajus
Gruppe Grüne/Volt

gez. Susanne Hambürger dos Reis
SPD-Fraktion

Abweichender Beschluss:

Übernahme folgenden Punktes aus dem Antrag der CDU-Fraktion und der BOB-Fraktion:

Trägerübergreifende Springer für die Hauswirtschaft

Damit Erzieherinnen und Erzieher ihrer originären Aufgabe, der Arbeit mit den Kindern, besser nachkommen können, werden seitens der Kommunen Springkräfte für den Bereich Hauswirtschaft eingestellt, die zum Einsatz kommen, wenn krankheits- oder urlaubsbedingt eine Kraft ausfällt. Es ist nicht hinnehmbar, dass Erzieherinnen und Erzieher oder Leitungen die Aufgaben der Hauswirtschafter im Zweifel übernehmen müssen. Hierfür bitten wir das Land, entsprechende finanzielle Mittel bereitzustellen.

Abstimmungsergebnis:

Einstimmig bei Enthaltung von Frau Knabenschuh und Frau Neumann angenommen.

 

Kategorie

Antrag | Bildung | Gleichstellungspolitik | Kinder, Jugend, Familie

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