Equal Pay Day 2021

Anfragezum Equal Pay Day im Stadtrat am 09.03.2021

09.03.21 –

Anfrage im Stadtrat am 09.03.2021

 

Sachverhalt:

2017 trat das Entgelttransparenzgesetz in Kraft. In Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten können Angestellte Auskunft über das Entgelt der Kolleg*innen erhalten. Im Jahr 2021 verdienen Frauen immer noch 19 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Viele Frauen sind vor diesem Hintergrund im Alter auf Grundsicherung angewiesen.

Die Verwaltung beantwortet die Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wie folgt:

 

1. Wie wird das Entgelttransparenzgesetz in Osnabrück angewendet?

Das Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen – Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) soll das Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchsetzen und ist 2017 in Kraft getreten.

Hiernach besteht für die Beschäftigten ein individueller Auskunftsanspruch. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit mehr als 200 Beschäftigten müssen ihren Beschäftigten auf Anfrage darlegen, nach welchen Kriterien sie bezahlt werden. Dieser Anspruch kann seit Januar 2018 gestellt werden. Beschäftigte tarifgebundener und tarifanwendender Unternehmen wenden sich für ihr Auskunftsverlangen an den Betriebsrat bzw. innerhalb der Stadtverwaltung Osnabrück an den Personalrat.

Die konkrete Nachfrage beim Personalrat hat ergeben, dass seit 2018 eine solche Anfrage an diesen weder gestellt noch in irgendeiner Form begleitet wurde, was sehr wahrscheinlich auf die verbindlichen Regelungen des Tarifvertrags des Öffentlichen Dienstes zurückzuführen ist. Eine weitere Anfrage beim DGB in Osnabrück brachte keine Ergebnisse und die Antwort der IG Metall Osnabrück steht zum jetzigen Zeitpunkt noch aus. Ein anderweitiger Zugriff auf relevante Daten, um die Lage in Osnabrück näher zu skizzieren, ist uns leider nicht möglich.

 

2. Wie können bessere Rahmenbedingungen und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, damit die Lohnlücke (Gender Pay Gap) reduziert werden kann?

Die Gründe für den Gender Pay Gap sind vielfältig. Wesentliche strukturelle Ursachen sind darin zu sehen, dass Frauen in bestimmten Berufen und Branchen sowie auf höheren Stufen der Karriereleiter fehlen. Außerdem unterbrechen oder reduzieren sie ihre Erwerbstätigkeit familienbedingt z.B. durch Elternzeit oder Pflege von Angehörigen häufiger und länger als Männer. Diese "Fehlzeiten" und darauffolgende Einstiegshemmnisse haben lang nachwirkende Einbußen bei der Lohn- und Einkommensentwicklung zur Folge, die sich laut Studien in den meisten Fällen nicht mehr aufholen lassen und oftmals geringe Rentenansprüche zur Folge haben.

Zudem sind frauentypische Berufe beispielsweise im Bereich der Pflege oder des Einzelhandels zwar systemrelevant, jedoch weiterhin unterbewertet, was die Corona-Krise besonders deutlich zum Vorschein gebracht hat. Eine Aufwertung dieser Berufe heißt nicht nur, die Wahrnehmung des gesellschaftlichen Werts von frauendominierten Berufen z.B. durch Applaus zu erhöhen, sondern sie schlicht und einfach besser zu bezahlen.

Durch die fehlende Gehaltstransparenz war eine Ungleichbehandlung der Bezahlung aufgrund des Geschlechts lange Zeit nicht sichtbar. Transparenz in den Gehaltsstrukturen und ein inzwischen gesetzlich geregeltes Auskunftsrecht könnten die Schließung der Lohnlücke nachhaltig positiv beeinflussen. Allerdings hat sich die gesetzliche Lage hier bislang noch als unzureichend erwiesen. Eine Entscheidung vom Bundesarbeitsgericht vom 21. Januar 2021, die eine Widerlegungspflicht einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts von Seiten der Arbeitgebenden fordert, könnte dem Gesetzt künftig mehr Schlagkraft geben.

Nicht zuletzt beeinflussen gängige Rollenstereotype nach wie vor die Berufswahl von Frauen. So wählen junge Frauen aus einem sehr engen Segment der über 300 Ausbildungsberufe aus. Die Berufswahl im sozialen wie im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich muss frei von Rollenstereotypen – die meist bereits im Kindesalter gelernt und verinnerlicht werden – oder Barrieren bei der Vereinbarkeit von Familie und Karriere erfolgen. Nur dann ist eine Durchmischung geschlechtertypischer Berufe möglich.

So vielfältig wie die Gründe gestalten sich demnach auch Rahmenbedingungen und Maßnahmenkataloge. Die Verantwortung dafür liegt jedoch nicht etwa allein bei den Kommunen, sondern vielmehr auch auf Landes- und Bundesebene, die für entsprechende politische Entscheidungen oder gesetzliche Regelungen zuständig sind. Wie am Beispiel des Öffentlichen Dienstes zu sehen ist, befördern Tarifverträge zudem die Lohntransparenz und tagen zu mehr Lohngerechtigkeit zwischen den Geschlechtern bei.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier bedarf es seitens der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber noch weiterer Anstrengungen, vor allem hinsichtlich einer lebensphasenorientierten Personalpolitik und Unternehmenskultur. Eine verstärkte Umsetzung der Digitalisierung im Zuge der Corona-Krise und damit verbunden der gestiegene Einsatz von Homeoffice und mobilem Arbeiten zeigen in die richtige Richtung. Hierfür unerlässlich ist allerdings der gleichzeitige Ausbau qualifizierter Kinderbetreuungsangebote und Ganztagsschulen in den Kommunen.

Außerdem ist eine gerechtere Aufteilung von Familien- und Erwerbarbeit unter den Eltern notwendig. Hier sind aber nicht nur die Unternehmen z.B. bei der Unterstützung von Elternzeit oder Teilzeit von Vätern oder der Gesetzgeber im Rahmen der Regelungen rund um Erziehungszeiten, sondern wir als Gesellschaft insgesamt gefragt. Vielmehr bedarf es zwingend eines gesellschaftlichen Umdenkens dahingehend, dass wir die Zeitkonflikte von Sorge- und Erwerbsarbeit nur gemeinsam lösen können.

Aktionstage wie der Equal Pay Day (10.03.2021) helfen dabei, die Debatte über die Gründe der Lohnunterschiede in die Öffentlichkeit zu tragen, ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen, zu sensibilisieren und Entscheidende zu mobilisieren, damit sich die Lohnlücke schließt.

 

3. Können öffentliche Aufträge und Vergaben an Unternehmen an Lohngleichheit von Frauen und Männern geknüpft werden? (Ähnlich unserer Forderung, dass Unternehmen den Mindestlohn zahlen müssen.)

Der Fachbereich Recht und Datenschutz (30), insbesondere der Fachdienst Öffentliche Aufträge weist darauf hin, dass die Verpflichtung zur gleichen Bezahlung für Frauen und Männern bereits zum einen im Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern (Entgelttransparenzgesetz – EntgTranspG) und zum anderen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbindlich gesetzlich geregelt ist.

Eine darüberhinausgehende Verknüpfung einer expliziten städtischen Forderung der Lohngleichheit an die Auftragsausführung in Form eines Zuschlagskriteriums ist grundsätzlich möglich. Allerdings müssen Zuschlagskriterien immer im Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und soziale Anforderungen dürfen nach § 11 des Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetzes (NTVergG) nur an Unternehmen mit mindestens 20 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gestellt werden. Da jedoch die von der Stadt Osnabrück beauftragten Firmen größtenteils die zuvor genannte Bedingung nicht erfüllen und meist weniger als 20 Beschäftigte aufweisen, erscheint o.g. Verknüpfung einer solchen Forderung aus Sicht des Fachbereichs 30 wenig zielführend.

Bei bereits durch die Bundesagentur für Arbeit oder durch die Betriebsprüfer der Sozialversicherungsträger aufgedeckten Verstößen gegen Equal Pay (die Stadt Osnabrück hat keine Kontrollbefugnisse) und einer daraus resultierenden Eintragung im Gewerbezentralregister – dieser wird für Aufträge größer 30.000 € brutto für denjenigen Bieter, der den Zuschlag erhalten soll, angefordert – wird der Bieter vom Vergabeverfahren ausgeschlossen.

Kategorie

Anfrage | Gleichstellungspolitik | Themen

GRÜNE Ratspost

Newsletter abonnieren:

Anmeldung Newsletter

Anmeldung Newsletter

GRUENE.DE News

<![CDATA[Neues]]>