Umsetzung der Istanbul-Konvention in Osnabrück

Umsetzung der Istanbul-Konvention in Osnabrück / Anfrage der Gruppe Grüne/SPD/Volt in der Ratssitzung am 05.03.2024

28.02.24 –

Sachverhalt:

2011 hat der Europarat das Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) als völkerrechtlichen Vertrag verfasst. In Deutschland ist die Istanbul-Konvention nach ihrer Ratifizierung 2017 im Februar 2018 in Kraft getreten. Im Sommer 2023 ist ihr die Europäischen Union beigetreten, sodass die Übereinkunft allen EU-Mitgliedstaaten völkerrechtlich bindende Standards setzt.

Ziel der Konvention ist die Verhütung, Verfolgung und Beseitigung geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt, die umfassende Unterstützung der Betroffenen und die Förderung von tatsächlicher Gleichheit zwischen den Geschlechtern.

Mit einem gemeinsamen Antrag (VO/2021/6593) aller Fraktionen und Ratsmitglieder im Osnabrücker Rat wurde die Verwaltung mit Beschluss vom 09.03.2021 „beauftragt, zu prüfen, welche zusätzlichen Maßnahmen der Prävention und Intervention zur besseren Vermeidung von Gewalt gegen Frauen beschlossen werden können und welche finanziellen Mittel dafür notwendig sind“.

In ihrer Beantwortung des Prüfauftrags (VO/2021/7340) legte die Verwaltung Ende September 2021 dem Rat Handlungsvorschläge und Maßnahmen zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Osnabrück vor.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:

  1. Welche konkreten Maßnahmen zur Umsetzung der Istanbul-Konvention wurden - insbesondere auch im Hinblick auf die Beantwortung des Prüfauftrags - seit dem Ratsbeschluss 2021 ergriffen und durchgeführt?
  2. Welche Vorhaben der Prävention und Intervention zur besseren Vermeidung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen in Osnabrück sind in diesem Jahr und in der Folgezeit geplant?
  3. Welche inhaltlichen Schwerpunkte wurden bzw. werden im Zuge der Umsetzung der Istanbul-Konvention gesetzt?


In ihrer Mitteilungsvorlage vom 05.03.2024 antwortete die Verwaltung wie folgt:

Zu 1.:

Siehe dazu die Übersichtstabelle „Handlungsvorschläge zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Osnabrück“, in der dargestellt ist, welche Maßnahmen bereits (teilweise) umgesetzt sind und wie die Priorisierung der Maßnahmen erfolgt. Dabei gilt es zu beachten, dass nicht alle Artikel der Istanbul-Konvention auch eine lokale, kommunale Umsetzung voraussetzen, da die Zuständigkeiten auch bei Bund und Land liegen.

Zu 2.:

Maßnahme

Kurzbeschreibung

Präventionsprogramm gegen sexualisierte Gewalt

In Kooperation mit dem Fachdienst Bildung und dem Fachdienst Kinder wird flächendeckend ein Präventionsprojekt gegen sexualisierte Gewalt an Grundschulen verstetigt, das allen Grundschulen ein bedarfsorientiertes Angebot von unterschiedlichen Trägern zur Verfügung stellt. Es werden hierfür die Mittel zur Umsetzung von § 14 der Istanbul-Konvention eingesetzt. Das Jahr 2024 stellt hierbei ein Erprobungsjahr dar, in dem das Angebot ausgebaut und angepasst werden wird. Das Projekt leistet einen Beitrag zur Primärprävention gegen geschlechtsspezifische Gewalt.

FrauenNachtTaxi

Es wurde ein Konzept zur Umsetzung eines FrauenNachtTaxis erarbeitet, das am 12.03.24 in den Fachausschuss und darauf folgend am 23.04.24 zur Entscheidung in den Rat eingebracht wird. Das Konzept sieht eine niedrigschwellige Nutzung eines Nachtfahrservices für Frauen und Mädchen vor, bei dem die Nutzerinnen für einen Eigenanteil von 7 Euro innerhalb des Stadtgebietes nach Hause transportiert werden. Die Maßnahme trägt somit bei zum Schutz vor Frauen und Mädchen vor Gewalt im öffentlichen (nächtlichen) Raum.

Fachtag als Auftaktveranstaltung der Antigewaltwochen im November seit 2021 mit jährlich wechselnden Fokusthemen in Kooperation mit der Gleichstellungsbeauftragten des LKOS und der Präventionsstelle der Polizeiinspektion OS

Themenschwerpunkt 2024: Geschlechtsspezifische Gewalt im Kontext von Flucht und Migration

Öffentlichkeitswirksame Aktionstage zum Thema geschlechtsspezifische Gewalt

-          One Billion Rising: Tanzdemo auf dem Nikolaiort am 14.02.

-          Aktionstag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen: 25.11.

Mitarbeit im lokalen Arbeitskreis „chtliche Sicherheit“

Erarbeitung von Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit von vulnerablen Gruppen, speziell Frauen und Mädchen, im öffentlichen/nächtlichen Bereich mit Vertreter*innen verschiedener Beratungsstellen, Gastronomie und Prävention. Geplant sind öffentlichkeitswirksame Kampagnen, Werbung in Bussen, Sensibilisierung von Gastronomiepersonal, etc. Zudem wird die Übertragung von Kampagnen zum Aufbau eines lokalen Netzwerkes überprüft.

Awareness-Konzept

-          Erarbeitung und Implementierung von Konzepten für Awareness bei Großveranstaltung

-          Umsetzung von Awareness-Konzepten bei Veranstaltungen des Referats Chancengleichheit

Mitwirkung an einer Dienstvereinbarung zum Schutz der Mitarbeitenden der Stadt Osnabrück vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Aktuell befindet sich eine Dienstvereinbarung zum Schutz vor sexueller Belästigung in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Personal, dem Gesamtpersonalrat, dem Personalrat Verwaltung sowie der Schwerbehindertenvertretung in Abstimmung, um die Dienstanweisung zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz aus dem Jahre 2016 zu ersetzen.

Öffentlichkeitsarbeit

Produktion eines Kinoclips zur Aufklärung zu Femiziden und geschlechtsspezifischer Gewalt mittels des Signal for help

Aufstockung und Verstetigung des Personals in der Frauenberatungsstelle

Mit Haushaltsbeschluss des Rates wird ab 2024 eine zusätzliche 0,5 Stelle für den Ausbau der Frauenberatungsstelle vor dem Hintergrund spezialisierter Angebote zur digitalen Gewalt finanziert. Der Landkreis Osnabrück beabsichtigt die zweite Stellenhälfte abzusichern. Darüber hinaus erfolgte eine Verstetigung des Projektes „Beratung und Begleitung geflüchteter Frauen bei häuslicher und sexualisierter Gewalt“.

Verstetigung des ProjektesTalita“ (SOLWODI Osnabrück)

Die Aufgabe des Projekts „Talita“ besteht in der aufsuchenden Arbeit im Prostitutionsmilieu sowie in der Begleitung von Frauen, die aus diesem aussteigen wollen. Die Rat der Stadt unterstützt seit 2020 das Projekt und verstetigt die Förderung für einen Zeitraum bis einschließlich 04/2027.

Zu 3.:

Anknüpfend an die Ergebnisse der unabhängigen Expert*innenkommission GREVIO (Group of Experts on Action against Violence against Women and Domestic Violence) aus dem Jahr 2022, die die Umsetzung der Konvention alle fünf Jahre überprüft, bezieht sich die Strategie des Gleichstellungsbüros der Stadt Osnabrück auf die besondere Berücksichtigung der Bedürfnisse vulnerabler Gruppen und damit auf einen intersektionalen Ansatz. Speziell auf mehrfachmarginalisierte Frauen und Mädchen muss somit ein Fokus gelegt werden, da der Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt gerade dieser Personengruppen meist komplexe Zusammenhänge abbildet und somit angepasste Lösungsansätze erfordert.

Dies geschieht aus Gleichstellungsperspektive beispielsweise dadurch, dass bei Schutz vor Gewalt ein queerfeminstisches Verständnis von Geschlecht und somit alle Geschlechter inkludierende Maßnahmen getroffen werden, wie beispielsweise LSBTIQA+ im Gender-Datenreport, Mehrsprachigkeit von Informationen, barrierearme Veranstaltungen mit Gebärden- und Schriftdolmetschung, regelmäßige Veranstaltungen zum Coming Out Day oder der Erarbeitung von Awarenesskonzepten. Ein weiteres Beispiel ist die Implementierung des Queer-Beirates, der zu mehr Sicherheit und Sichtbarkeit von queerem Leben beitragen soll.

Weiterhin wird eine engere intersektionale Verschränkung innerhalb des Referats Chancengleichheit vorangetrieben, so dass beispielsweise die Bereiche Gleichstellung und Integration sowie Gleichstellung und Inklusion verwaltungsintern enger zusammenarbeiten. Aber auch fachbereichsübergreifend findet zunehmend Austausch statt. Bei den durch andere Fachbereiche entwickelten Maßnahmen, wie beispielsweide dem Konzept zur Prävention von Wohnungslosigkeit bei Frauen durch den Fachbereich Soziales, wird das Gleichstellungsbüro beteiligt. Diese intersektionale Verschränkung der Themen und somit Maßnahmen betrifft weitere Fachdienste der Verwaltung wie beispielsweide Kinder und Familien, Jugend, Bildung, Kultur und weitere.

Diese inhaltliche Ausrichtung ist maßgeblich für die Arbeit des Gleichstellungsbüros. Mit den aktuellen Ressourcen im Gleichstellungsbereich lassen sich jedoch lediglich nebeneinanderstehende Einzelmaßnahmen umsetzen. Die Istanbul-Konvention sieht umfassende und koordinierte politische Maßnahmen vor, um eine ganzheitliche Antwort auf Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu geben. Eine abgestimmte und koordinierte Strategie ist daher aktuell nur unzureichend möglich und setzt eine Koordinierungsstelle Istanbul-Konvention voraus. Diese Stelle könnte alle Maßnahmen zur lokalen Umsetzung steuern und begleiten und eine übergreifende Gesamtstrategie erarbeiten und umsetzen.

Kategorie

Anfrage | Gleichstellungspolitik

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