BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ratsfraktion Osnabrück

Rückholquote Unterhaltspflicht in Osnabrück

Anfrage Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (TOP 21.6)

03.11.15 –

Sachverhalt:

Unterhaltspflichtige, die sich um ihre finanziellen Pflichten gegenüber ihren Kindern drücken wollen, haben dem Landesrechnungshof Niedersachsen zufolge nur selten die Verfolgung durch die Behörden zu fürchten. Zumindest in den Fällen, in denen die jeweilige Kommune für die ersten Lebensjahre des Kindes in die Bresche springt und den sogenannten Unterhaltsvorschuss leistet, holen sich nur wenige Kommunen das Geld bei den säumigen Unterhaltspflichtigen zurück. Darüber berichtet der Rundblick in seiner Ausgabe Nr. 149 vom 06.08.2015.

Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass die Kommunen im Auftrag des Landes dafür sorgen, den geleisteten Unterhaltsvorschuss bei den Unterhaltspflichtigen zurückzuholen. Dafür dürfen sie zwei Drittel der eingezogenen Beiträge behalten und müssen nur ein Drittel an das Land abführen. Der Rechnungshof hat in seinem Kommunalbericht festgestellt, dass nur selten die Ansprüche zeitnah und konsequent durchgesetzt werden.

Gleichwohl gehen die Richtlinien zum Unterhaltsvorschussgesetz grundsätzlich von der Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Elternteils aus, sofern dieser seine fehlende oder geminderte Leistungsfähigkeit nicht nachweisen kann. Genau dies wird aber in den Kommunen höchst unterschiedlich beurteilt. So verzichteten nach dem Kommunalbericht zwei Kommunen komplett auf diesen Nachweis und erklärten die Betroffenen grundsätzlich für leistungsunfähig; vier weiter Kommen forderten diesen Nachweis nicht konsequent. Alle zusammen verzichten auf diese Weise in weiten Teilen auf ihre Ansprüche und damit auf Einnahmen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:

  1. Wie hoch sind die städtischen Zahlungen für den geleisteten Unterhaltsvorschuss insgesamt?
  2. Wie hoch ist die Rückholquote in Osnabrück absolut und relativ zu den Fallzahlen?
  3. Wie setzt die Stadt die Ansprüche gegenüber den Unterhaltspflichtigen durch bzw. verzichtet aus welchen Gründen darauf?

 Sachverhalt:

Die Verwaltung beantwortet die Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wie folgt:

1.       Wie hoch sind die städtischen Zahlungen für den geleisteten Unterhaltsvorschuss insgesamt?

2.       Wie hoch ist die Rückholquote in Osnabrück absolut und relativ zu den Fallzahlen?

Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die Verwaltung zum Ergebnis der Kommunalprüfung 2014 im Rahmen der Beantwortung einer Anfrage mit der Vorlage VO/2015/5873-01 für die Sitzung des Rates am 21.07.2015 ausführlich Stellung genommen hat. Zur Rückholquote im Bereich der Unterhaltsvorschussleistungen wird auf den dortigen Punkt 5.10 verwiesen.

Im Geschäftsbericht des Fachbereiches für Kinder, Jugendliche und Familien für das Jahr 2014 werden unter „6.2 Unterhaltsvorschussleistungen“ (S. 17) folgende Daten ausgewiesen:

Fallzahl 31.12.

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

Fallzahlen

1.109

1.096

1.199

1.199

1.154

1.176

1.111

Ausgaben

2.078.400 €

1.825.000 €

2.276.250 €

2.315.933 €

2.434.878 €

2.445.828 €

2.336.194

Rückholquote*

20,06 %

20,56 %

15,79 %

14,4 %

17,4 %

17,1 %

19,1 %

*Anteil der Einnahmen (Ersatzleistungen Unterhaltspflichtiger, Rückzahlungen für die Jahre 2003 - 2008, ab 2009 abzgl. Rückzahlungen). Erstattungen des Landes (= 2/3 der Ausgaben) sind nicht aufgeführt.

Per 30.09.2015 stellen sich diese Angaben wie folgt dar:

Fallzahlen: 1.162

Ausgaben: 1.638.560 €

Zahlungen Unterhaltspflichtiger: 261.182 €

Rückholquote: 15,94 % (Rückholquote lt. Haushaltsansatz 2015: 16,19 %)

3.       Wie setzt die Stadt die Ansprüche gegenüber den Unterhaltspflichtigen durch bzw. verzichtet aus welchen Gründen darauf?

Hierzu wird im Geschäftsbericht 2014 des Fachbereiches für Kinder, Jugendliche und Familien Folgendes unter „6.2 Unterhaltsvorschussleistungen“ (S. 18) ausgeführt:

„Unterhaltsvorschussleistungen werden dann erbracht, wenn der eigentlich Unterhaltspflichtige als Zahler ausfällt. Der alleinerziehende Elternteil soll durch den Unterhaltsvorschuss so einen Ausgleich zum fehlenden Unterhalt erhalten. Der Fachbereich für Kinder, Jugendliche und Familien versucht dann (insbesondere über die Beistände), diese verauslagten Beträge bzw. den „Vorschuss“ von dem anderen Elternteil zurückzuholen. In jedem Einzelfall wird nach erfolgter Unterhaltsvorschusszahlung somit geprüft, ob, und wenn ja in welcher Höhe, der Pflichtige zu Unterhaltszahlungen herangezogen werden kann. Die sogenannte „Rückholquote“ ist eine Kennzahl, in welchem Umfang es gelingt, den verauslagten Unterhaltsvorschuss zurückzuholen. (…)“

Zu betonen ist, dass es sich bei den Antragstellern/Innen um einen Personenkreis handelt, bei dem entweder keine ausreichenden Einkünfte erzielt werden und/ oder bei denen keine einvernehmliche Unterhaltsregelung besteht. Alle anderen Alleinerziehenden beantragen gar nicht erst Unterhaltsvorschuss, sondern regeln die Unterhaltsfragen einvernehmlich bzw. mit anwaltlicher Unterstützung. Das bedeutet, dass in den Fällen, bei denen Unterhaltsvorschuss beantragt wird, der unterhaltspflichtige Elternteil entweder nicht zahlen kann oder nicht zahlen will.

In jedem Fall - und hier beginnt der privatrechtliche Teil der Unterhaltsvorschussbearbeitung - wird mit der Bewilligung des Unterhaltsvorschusses eine Überprüfung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen gestartet; der unterhaltspflichtige Elternteil hat seine Einkommenssituation nachzuweisen. Die Mitarbeiter/innen schreiben den Unterhaltspflichtigen an, fordern Nachweise an, treten telefonisch oder persönlich in Kontakt, ermitteln die Einkommenssituation ggf. auch bei Rententrägern, Krankenkassen, dem Jobcenter oder dem Arbeitgeber. Die Erfahrung zeigt, dass viele Unterhaltspflichtige, die persönlich das Jugendamt aufsuchen, in einem Gespräch zur Zahlung von Kindesunterhalt und entsprechender Beurkundung motiviert werden können. In anderen Fällen erfolgt eine Titulierung durch Gerichtsurteil oder Vollstreckungsbescheid mit sich ggf. anschließender Vollstreckung.

Zu unterteilen sind sechs Fallkonstellationen:

Fallkonstellation

Anteil (ca.)

Erläuterung/ Ergebnis

1. Der Unterhaltspflichtige ist nicht leistungsfähig.

45 %

Zu geringer Verdienst/ Langzeitarbeitslosigkeit/ kein Schul-/ Berufsabschluss und damit keine positive Prognose

  • Keine Rückholung

2. Der Unterhaltspflichtige ist fiktiv leistungsfähig.

32 %

Unterhaltspflichtiger könnte aufgrund seiner Qualifikation mehr Gehalt erzielen, tut es aber nicht/ häufig besteht ein Insolvenzverfahren.

  • Titulierung über fiktiven Verdienst ist zwar möglich, Realisierung des Unterhalts ist selten erfolgreich und mit hohem Aufwand verbunden

3. Der Unterhaltspflichtige ist leistungsfähig.

5 %

Ausreichender Verdienst ist vorhanden, Unterhaltszahlungen gehen zuerst wegen aktueller Trennung nicht ein.

  • Titel kann erwirkt werden, Rückholung ist mittel- bis langfristig zu 100 % möglich (oft über Ratenzahlungsvereinbarungen)

4. Der Unterhaltspflichtige ist teilleistungsfähig.

3 %

Der Verdienst reicht nicht für den vollen Unterhaltsvorschussbetrag aus, sondern nur für einen Teil.

  • Über diesen Teil ist Rückholung möglich.

5. Unbekannte Väter

8 %

Die Alleinerziehenden benennen keinen Vater, weil sie ihn nicht benennen können oder möchten

  • Ein vom Land vorgeschriebenes sehr aufwändiges Verfahren wird durch eine speziell geschulte Mitarbeiterin durchgeführt. An einem exemplarischen Fall wird derzeit ein Klageverfahren durchgeführt. Rückholquote 0 %, ggf. Ablehnung des Antrags auf Unterhaltsvorschuss.

6. Väter im Ausland bzw. mit unbekanntem Aufenthalt

7 %

Die Unterhaltsrealisierung ist manchmal möglich, jedoch mit großem Aufwand verbunden

  • Rückholquote minimal

100 %

 

Grundsätzlich bestehen folgende Probleme bei der Realisierung eines höheren Unterhaltsrückgriffs:

  • 1. häufig geringe Qualifikation der Unterhaltspflichtigen
  • 2. häufig nur Beschäftigte in Zeitarbeitsfirmen mit entsprechend geringem Verdienst
  • 3 Der Selbstbehalt wurde auf 1.080 € erhöht. Ein geringes Gehalt reicht nicht aus, um diesen zu überschreiten.
  • 4 häufiger Arbeitgeberwechsel, wechselt sich mit Zeiten teilweise längerer Arbeitslosigkeit ab
  • 5 Eine Realisierung von Zahlungen ist bei Bezug von ALG I nicht oder nicht in vollem Umfang möglich.
  • 6 Bei SGB-II-Bezug kommt eine Realisierung von Zahlungen in der Regel nicht in Betracht.
  • 7. Schulden, die aus der Ehezeit stammen, werden vom Einkommen abgesetzt.
  • 8. Nach Trennung der Eheleute kommt es zu einem Wechsel der Steuerklasse, was zu einem geringeren Verdienst beim Unterhaltspflichtigen führt.
  • 9. Bei Teilleistungsfähigkeit liegt es zumeist nicht im Einfluss der UV-Kasse, ob der Unterhaltspflichtige an die Kindesmutter oder die Unterhaltsvorschusskasse zahlt. Bei Direktzahlung an die Kindesmutter verringern sich zwar die UVG-Ausgaben entsprechend, dies wird aber nicht anhand der Rückholquote sichtbar.

Bei der o.g. dritten Fallkonstellation können einige Unterhaltsvorschussfälle nach einigen Monaten wieder eingestellt werden. Als Überbrückung nach der Trennung wird Unterhaltsvorschuss bewilligt. Der Vater wird ab Antragstellung herangezogen und „fügt sich nach einiger Zeit dem Druck des Jugendamtes“. Sobald regelmäßig gezahlt wird, wird der Unterhaltsvorschuss eingestellt (es erfolgt dann die Direktzahlung des Unterhalts an die Mutter). Die Rückholung – auch der aufgelaufenen Rückstände – erfolgt zu 100 %. Ab der Direktzahlung verringern sich die UVG-Ausgaben; dieser Fall taucht dann nicht mehr in der Rückholquote auf. Es ist somit zu kurz gegriffen, nur die Rückholquote zu betrachten. Vielmehr muss auch die Summe der Aufwendungen für Unterhaltsvorschuss im Fokus stehen.

Im Geschäftsbericht 2014 heißt es weiter: „Von den oben dargestellten Ausgaben wird ein Drittel vom Bund getragen (33,33 %), das Land Niedersachsen ist mit 46,67 % beteiligt, die Stadt Osnabrück trägt einen Anteil von 20,00 %. Die Einnahmen aus der Rückholquote verbleiben zu zwei Drittel bei der Stadt (2014: 275.588 €, 2013: 258.949 €), das restliche Drittel erhält der Bund. Die Höhe wird zu einem wesentlichen Teil dadurch bestimmt, in welcher Intensität und Beharrlichkeit die verauslagten Gelder eingetrieben werden. Dieses hängt wiederum davon ab, wieviel Personal für diese Aufgabe zur Verfügung steht.“

Im Fachbereich für Kinder, Jugendliche und Familien wurden bis zum 30.06.2015 die Aufgaben nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) und dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) innerhalb eines Sachgebiets in Allzuständigkeit von den Sachbearbeitern/innen wahrgenommen. Die im Fachdienst Zentrale Aufgaben in 2014 durchgeführte Organisationsuntersuchung kam zu dem Ergebnis, dass in diesem Bereich Personalressourcen im Umfang von 2 Vollzeitäquivalenten fehlen, so dass diese im Rahmen der Haushaltsverfahrens für 2016 beantragt wurden.

Ab 01.07.2015 wird zunächst für ein Jahr innerhalb des Teams erprobt, ob eine Aufhebung der Allzuständigkeit, also eine getrennte Bearbeitung von Unterhaltsvorschuss und Elterngeld zu einer effizienteren Bearbeitung führt.

Durch beide Maßnahmen (zusätzliche Stellen und Veränderung der internen Prozesse) erwartet der Fachbereich eine Steigerung der Ergebnisqualität und damit auch einen Anstieg der Rückholquote. Letzteres wird jedoch wie oben ausgeführt durch die herrschenden Arbeits- und Einkommensbedingungen beeinflusst und ist somit begrenzt.

 

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Anfrage | Haushalt, Finanzen | Kinder, Jugend, Familie

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