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31.01.24 –
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
als Vorsitzender des Stadtrates und über 27-jähriges Ratsmitglied, der seine Stadt und die hier lebenden Menschen ins Herz geschlossen hat, möchte ich mit etwas Persönlichem beginnen.
Mein verstorbener Vater war fast 10 Jahre alt, als die Nazis an die Macht kamen. Er ist in einer intoleranten völkischen Gesellschaft groß geworden und musste später mehrere Jahre in der Wehrmacht für die menschenfeindlichen Ziele und Phantasien eines Diktators und seiner Vasallen sein Leben und das anderer Menschen riskieren.
Auch er hat erlebt, wie plötzlich jüdische Menschen verschwanden und berichtete später, dass damals niemand sich getraut habe, zu sagen, was mit ihnen passiert sei.
Als wir älter wurden, hat er auch dezidierter über die schrecklichen Verbrechen des Nazi-Regimes berichtet – zu einem Zeitpunkt, als das Thema in der Schule noch eher gemieden wurde.
Unser Vater hat uns sehr früh beigebracht, dass „Nie wieder“ ein ganz elementarer Bestandteil unserer Gesellschaft zu sein hat und über allem stehen muss. Wenn er noch leben würde, wäre er mit Sicherheit am Samstag dabei gewesen.
Diese Grundhaltung habe ich wie meine Geschwister auch seit meiner Kindheit verinnerlicht und in meiner langjährigen Ratstätigkeit und meinem Leben in Osnabrück habe ich dann gelernt und auch daran mitarbeiten dürfen, dass man gerade vor Ort viel für Toleranz tun kann und vor allem, dass die Unterschiedlichkeit von Menschen eine Bereicherung für das städtische Miteinander ist.
Ich bin stolz darauf, in einer Stadt zu leben, wo diese Prinzipien und Haltungen von so viel Menschen geachtet und gelebt werden.
Der Begriff „Friedensstadt“ ist keine leere Floskel oder nur ein schönes Markenzeichen, sondern gehört zum Selbstverständnis dieser Stadt. Wir sind weltoffen, stehen für Toleranz, Vielfalt und gegenseitigen Respekt. Wir leben eine ausgeprägte Kultur des Miteinanders, auf die wir stolz sind.
So etwa am Runden Tisch der Religionen, bei den jährlichen Einbürgerungsfeiern, beim Fest der Kulturen auf dem Rathausmarkt, beim Morgenlandfestival und im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus, um nur einige Beispiele zu nennen.
Und ja, ich denke, dass dieses Miteinander auch Auswirkungen bei Wahlen und unserem Zusammenleben hat: Nationalismus, Rassismus, Fremdenhass, Muslimfeindlichkeit, Antisemitismus, die Verachtung unterschiedlicher Lebensformen und alle anderen Merkmale des Faschismus und Rechtextremismus haben in Osnabrück deutlich weniger Boden, als in manchen anderen Städten.
Gleichwohl müssen auch wir zur Kenntnis nehmen: Wenn Kinder wieder Angst haben, öffentlich angegriffen zu werden und sich Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihrer erkennbaren Religion öffentlich eingeschüchtert und bedroht fühlen, ist das ein Alarmzeichen.
Eines muss klar sein: Wer unsere Nachbarinnen und Nachbarn angreift, der greift uns alle an.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
unsere Demokratie hat keinen eingebauten Automatismus und muss tagtäglich gelebt und verteidigt werden. Dafür steht die große Mehrheit der Osnabrückerinnen und Osnabrücker, das haben sie am vergangen Samstag in besonders eindrucksvoller Weise gezeigt und dazu steht auch dieser Stadtrat.
Und unser demokratischer und sozialer Rechtsstaat, unser Miteinander und auch unser gemeinsames Europa sind nicht nur eine Frage der Menschenwürde und der Toleranz, sie sind auch Garant für unseren Wohlstand und haben Deutschland hinter den USA und China zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt gemacht.
Ich möchte an dieser Stelle den Ex-Siemens-Chef und Aufsichtsratsvorsitzenden von Siemens Energy, Joe Kaeser, zitieren, der es auf einen einfachen Punkt in Richtung sogenannter Protestwähler gebracht hat: „Wer AfD wählt, entscheidet sich für Wohlstandsverlust“. Das muss jeder und jedem klar sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir geben uns als gewählte Vertreterinnen und Vertreter am Handgiftentag – einer der schönsten Traditionen dieser Stadt –jedes Jahr neu das Versprechen, das Beste für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt zu tun. Und auch in der praktischen Arbeit des Rates zeigt sich, dass wir bei allen politischen Unterschieden an diesem gemeinsamen Ziel arbeiten, was wir zuletzt bei den Haushaltsberatungen gezeigt haben.
Am Ende möchte ich noch Folgendes erwähnen: Meine Enkeltochter ist mit 10 Jahren heute in etwa so alt, wie mein Vater bei der Machtübernahme der Nazis war. Sie war bei uns zuhause, als ich von der anstehenden Demonstration letzten Samstag erzählte und wir ihr erklärten, worum es dabei geht. Nach aufmerksamem Zuhören und kurzer Überlegung sagte sie dann: „Ich will da auch dabei sein“ und sie war dabei und am Ende mehr als beeindruckt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, „Nie wieder ist jetzt“. Wir sind auch verantwortlich, was für eine Welt wir unseren Kindern und Enkelinnen und Enkeln hinterlassen. Deshalb bin ich stolz und dankbar, in so einer Stadt wie Osnabrück leben und Verantwortung tragen zu dürfen und bedanke mich bei euch allen für diese starke Bekundung unserer gemeinsamen Werte, die wir auch mit der heutigen Resolution abgeben.
Vielen Dank.
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Demokratie und Beteiligung | Kommunalpolitik | Kultur, Frieden | News
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