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10.02.23 –
Sachverhalt:
Einer Studie des Bundesverbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e.V. (BGL) aus 2019 zufolge sind in Deutschland mittlerweile 15% der Vorgärten in Deutschland versiegelt. Und dieser Trend setzt sich fort.
Auch sogenannte Schottergärten gehören letztlich zu den versiegelten Flächen. Denn eingezogene Plastikfolien verhindern nicht nur den Aufwuchs von Wildkräutern, sondern behindern die Versickerung von Regenwasser und damit die Grundwasserneubildung. Schottergärten tragen zur Verarmung der Artenvielfalt und zur Aufheizung im städtischen Bereich bei.
So werden vermeintlich pflegeleichte Schottergärten als sterile Steinwüsten nicht nur aus ästhetischer, sondern vor allem aus ökologischer und stadtklimatischer Sicht oftmals als „Gärten des Grauens“ bezeichnet. Dabei können Vorgärten durch eine naturnahe Bepflanzung mit heimischen Gehölzen und Stauden zu einem für Insekten, Bodenlebewesen und Vögel attraktiven Lebensraum entwickelt und zugleich zu einem repräsentativen, pflegeleichten Eingangsbereich gestaltet werden.
Rechtlich gesehen ist die Versiegelung von Gärten und damit auch von Vorgärten schon lange durch die Bestimmungen des § 9 Abs. 2 der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) eingeschränkt. Dort heißt es: „Die nicht überbauten Flächen der Baugrundstücke müssen Grünflächen sein, soweit sie nicht für eine andere zulässige Nutzung erforderlich sind.“
Unter Hinweis auf eine entsprechende Kommentierung zur NBauO konstatierte auch die Verwaltung in der Beantwortung einer Anfrage der Ratsfraktion von Bündnis90/Die Grünen (VO/2019/3807-01): „Aus bauordnungsrechtlicher Sicht wären demnach Kies- oder Schottergärten nicht rechtmäßig, da sie nach der Definition keine Grünflächen darstellen.“
Sie führte allerdings im Weiteren aus:
„Des Weiteren scheidet nach Einschätzung der Verwaltung ein Einschreiten nach § 79 NBauO im Regelfall aufgrund einer Unverhältnismäßigkeit aus. Es greift hier das sog. „Übermaßverbot“, welches im Rahmen der Auslegung des § 79 NBauO beachtet werden muss. So haben sich in der Vergangenheit auch andere Gemeinden und Städte bei der Auslegung des Paragrafen entschieden. Daher gibt es hierzu bisher, auch nach eingehender Recherche, keine hier bekannten Urteile.“
Mittlerweile gehen jedoch auch Kommunen in Niedersachsen wie die Städte Leer oder Diepholz dazu über, bauordnungsrechtlich gegen Schottergärten vorzugehen. Hinzu kommt, dass sich das OVG Lüneburg in einem aktuellen Urteil vom 17.01.2023 erstmals mit der bauordnungsrechtlichen Unzulässigkeit von Schottergärten befasst. In dem konkreten Fall handelt es sich um „Kiesbeete, in die punktuell Koniferen und Sträucher sowie Bodendecker eingepflanzt seien“ und die nach Auffassung des OVG nicht den Charakter einer Grünfläche im Sinne des § 9 Abs. 2 NBauO aufweisen. Vor diesem Hintergrund erkannten die Richter die Rechtmäßigkeit des Einschreitens der Bauaufsichtsbehörde an, die eine Beseitigung der Kiesbeete gefordert hatte. Das Urteil ist nicht anfechtbar.
Um dem auch in Osnabrück festzustellenden Trend zum Schottergarten zu begegnen und mit Verweis auf den zuvor erwähnten Beschluss des OVG Lüneburg, fragen wir die Verwaltung:
In ihrer Mitteilungsvorlage vom 24.02.2023 antwortete die Verwaltung wie folgt:
Zu 1.:
Erkenntnisse über die Anzahl oder Lage von Schottergärten sind der Verwaltung nicht bekannt. Eine systematische Erfassung der Schottergärten ist mit dem aktuellen Mitarbeiterstab der Bauordnungsverwaltung nicht möglich. Hierfür wäre nach derzeitiger Einschätzung die Schaffung einer zusätzlichen (befristeten) Stelle oder einer anderen Lösung (Beschäftigung von studentischen Hilfskräften o.Ä.) erforderlich.
Das gleiche gilt auch für den Fall, dass Schottergärten künftig bauordnungsrechtlich aufgegriffen und deren Beseitigung bzw. Umwandlung in Grünflächen per bauordnungsrechtlicher Verfügung gefordert werden sollen. Derartige Verfahren ziehen erfahrungsgemäß häufig verwaltungsrechtliche Streitverfahren mit langwierigen Widerspruchs- und Klageverfahren nach sich, so dass für die Bearbeitung zusätzliches Personal erforderlich sein dürfte.
Zu 2.:
Im Rahmen der Bauleitplanung ist die Stadt Osnabrück dahingehend aktiv, dass entsprechende Festsetzungen in Bebauungsplänen aufgenommen werden, sofern diesem nichts entgegenspricht. So wird grundsätzlich festgesetzt, dass Vorgartenflächen anteilig unversiegelt zu belassen, dauerhaft zu begrünen und gärtnerisch zu unterhalten sind. Als versiegelte Flächen zählen hier u.a. auch Schotter, Kies und Splitt.
Diese Festsetzung unterstützt die Vorgabe des § 9 Absatz 2 der niedersächsischen Landesbauordnung (NBauO), die besagt: „Die nicht überbauten Flächen der Baugrundstücke müssen Grünflächen sein, soweit sie nicht für eine andere zulässige Nutzung erforderlich sind.“ Die Vorgaben sind daher eindeutig.
Zusätzlich könnten bei der Erschließung neuer Baugebiete die Öffentlichkeit oder potenzielle Bauherren durch Informationen per Flyer, Pressemitteilung o.ä. über die Bestimmungen informiert und für die Bedeutung des Themas für die Ökologie und das Klima sensibilisiert werden.
Darüber hinaus versucht die Stadt über Informationsarbeit und Projekte die Bürgerinnen und Bürger für das Thema zu sensibilisieren. Aktuell läuft das Projekt und Förderprogramm „Grün statt Grau“, in dem auch die Versiegelung bzw. Begrünung von Vorgärten im Fokus steht. Über das Förderprogramm werden Entsiegelungs- und Begrünungsmaßnahmen finanziell unterstützt, die freiwillig umgesetzt werden, für die es also keine rechtlichen Vorgaben gibt. Aktuell wird verwaltungsintern geprüft, wie das weitere Vorgehen vor dem Hintergrund aktueller Rechtsprechung weitergeführt werden soll, der Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt wird hiermit beizeiten ebenfalls befasst.
Zu 3.:
Die Rechtslage hat sich durch die aktuelle Rechtsprechung des OVG Lüneburg insofern geändert, als dass nunmehr obergerichtlich geklärt ist, dass ein Einschreiten durch die Verwaltung gegen Schottergärten auf der Grundlage der §§ 9 Abs. 2 und 79 NBauO verhältnismäßig ist. Auch ist zu begrüßen, dass der Begriff der Grünfläche durch das OVG verbindlich definiert und vom Begriff des Kiesbeets abgegrenzt wurde, wenngleich das OVG darauf hingewiesen hat, dass eine wertende Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls weiterhin erforderlich ist.
Das bauaufsichtliche Einschreiten ist daher in rechtlicher Hinsicht möglich. Die Umstände des Einzelfalls sind dabei sorgfältig zu prüfen und lassen für ggf. folgende Verwaltungsstreitverfahren Raum für Interpretationen durch die Beteiligten.
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