11.09.25 –
Fast jedes fünfte Kind in Osnabrück lebt in Armut. Schaut man sich die Ergebnisse des jüngsten Sozialmonitoring genau an, ist es einigen Bereichen wie der östlichen Dodesheide, der Innenstadt oder dem Schinkel beinahe jedes zweite Kind. Hinter jeder dieser Zahlen, die im niedersächsischen Vergleich Höchstwerte sind, stehen die individuellen Schicksale der Kinder und ihrer Familien.
Diesen Zustand nehmen wir nicht hin. Armut ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und geht uns alle an. Auch die Stadt ist gefordert, im Rahmen der ihr gegebenen Möglichkeiten ihren Einsatz für die von Armut betroffenen Kinder, Jugendlichen und deren Familien zu intensivieren. Die positive Nachricht ist, dass sie dabei auf guten Strukturen und Netzwerken aufbauen kann – in den Kinder-, Jugend- und Gemeinschaftszentren, über die Arbeit im Beirat für Kinderinteressen und Präventionsketten sowie Dank der haupt- und der vielen oftmals ehrenamtlich engagierten Menschen in Organisationen wie VPAK, der Tafel oder auch der Arche.
Klar ist aber auch: Die Ursachen von Armut sind vielfältig, sodass es das eine Lösungspaket – zumal kommunal – nicht gibt und zugleich die Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteur:innen aus Verwaltung und Stadtgesellschaft erforderlich ist. Wir wollen den Einsatz im Kampf gegen Kinder- und Jugendarmut intensiveren und schlagen dafür mit unserem Antrag in der Ratssitzung am 16. September in einem ersten Schritt fünf konkrete Maßnahmen vor:
1. Initiierung ehrenamtlicher Patenprojekte für von Armut betroffene Kinder und Familien
Kinder in Armutslagen sind häufig auch von emotionaler Armut betroffen. Umso wichtiger ist es, die Beziehungsarbeit mit den Betroffenen zu stärken. Deshalb soll die Stadt zusammen mit dem Beirat für Kinderinteressen, geeigneten Trägerorganisationen und interessierten Stiftungen ein Konzept für ein oder mehrere ehrenamtliche Patenprojekte für von Armut betroffene Kinder und Familien entwickeln. Dabei sollen Erfahrungen bereits vorhandener Projekte wie den Familienbegleiterinnen, aber auch gute Beispiele aus anderen Städten wie die Mitmachpaten in Münster Berücksichtigung finden.
2. Erleichterung des Zugangs zu Mitteln aus dem Bildungs- und Teilhabepaket
Die Leistungen für Bildung und Teilhabe (BuT) für Kinder und Jugendliche aus finanziell herausgeforderten Familien decken unter anderem den persönlichen Schulbedarf, Lernförderung, Ausflüge, Vereinsbeiträge und Mehraufwendungen für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung ab. Zu oft erreichen diese Leistungen die Familien jedoch nicht, häufig, weil diese keine Kenntnis über die Unterstützungsleistungen haben. Deshalb muss der Zugang zu den BuT-Mitteln für alle Betroffenen weiter verbessert werden. Die Verwaltung soll Vorschläge machen, wie dies gelingen kann, zum Beispiel über eine stärkere Zusammenarbeit mit den Trägern wie der Arche, die in direktem Kontakt mit den betroffenen Familien stehen.
3. Mietzuschüsse für im Bereich Kinderarmut engagierter Träger wie der Arche
Wir wollen in den Haushaltsberatungen diskutieren, inwieweit die monatlichen Mietkosten einzelner Träger, die sich in besonderer Weise um von Armut betroffenen Kindern und Familien kümmern, übernommen werden können. Unser besonderer Fokus liegt dabei auf der Arche an der Bremer Straße, die seit fünf Jahren vor allem über Bildungs-und Freizeitangebote einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung leistet und dabei vielfach an ihre Grenzen gerät. So musste die Arche im Herbst 2024 einen Aufnahmestopp verkünden. Aktuell sind rund 130 Kinder und Jugendliche vor Ort, der trotz des gestiegenen Bedarfs gegenwärtig neben der Leiterin von einer Mitarbeiterin und einem Freiwilligendienstleistenden sowie rund 30 ehrenamtlich engagierten Menschen getragen wird. Anders als andere Organisationen, die ebenfalls über die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien mit dem Thema Kinderarmut befasst sind, erhält sie bislang keine städtischen Zuschüsse, sondern finanziert sich ausschließlich aus Spenden. Im Rahmen eines Vor-Ort-Termins im August hatte die Arche den Wunsch um Unterstützung bei den Mietkosten deutlich gemacht.
4. Prüfung weiterer Unterstützung für im Bereich Kinderarmut engagierter Träger
Angesichts des erheblich gestiegenen Bedarfs für betroffene Kinder und Jugendliche fordern wir die Stadt auf, weitere – auch nicht finanzielle – Unterstützungsmöglichkeiten für Träger wie die Arche gemeinsam mit diesen zu prüfen.
5. Überarbeitung des „Strategiekonzepts zur Überwindung der Kinder- und Jugendarmut in Osnabrück“
Unter Federführung der Arbeitslosenselbsthilfe (ASH) Osnabrück wurde 2011 von einem breiten Netzwerk des Projekts „Allen Kindern Zukunft geben! Das schaffen wir in Osnabrück gemeinsam“ ein Strategiekonzept zur Überwindung der Kinder- und Jugendarmut in Osnabrück vorgestellt. Darin werden konkrete Handlungsfelder benannt und für diese jeweils Ziele und Maßnahmen vorgeschlagen.
Das Strategiekonzept ist nach dem frühen Scheitern des für dessen Umsetzung geeigneten Runden Tisches Kinderarmut nicht weiterverfolgt worden. In der gegenwärtigen Konstellation halten wir den Beirat für Kinderinteressen für das passende Gremium, um das Strategiekonzept von 2011 unter Einbindung weiterer Akteur:innen wie der Wohnungswirtschaft, dem Jobcenter und der Wirtschaftsförderung zu überarbeiten und der Politik konkrete Maßnahmen zur Überwindung der Kinderarmut in unserer Stadt vorzuschlagen.
Kinder- und Jugendarmut geht uns alle an. Es ist nicht nur ein soziales, sondern – Stichwort politische Entfremdung – auch ein demokratiepolitisches Problem, das wir ernst nehmen und mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln in Osnabrück begegnen müssen. Heute für morgen und für eine gute Zukunft aller Kinder und Jugendlichen in unserer Stadt.
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