
09.12.25 –
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren,
der Doppelhaushalt 2026/27, der heute zur Verabschiedung ansteht, ist die Grundlage für eine positive Entwicklung unserer Stadt. Wir halten Kurs bei den Investitionen in Schulen, Sportanlagen und Infrastruktur. Die priorisierten Maßnahmen aus dem Vorreiterkonzept Klimaschutz werden konsequent umgesetzt. Das herausfordernde Ziel der Klimaneutralität bleibt im Fokus. Für eine herausragende Gesundheitsversorgung unserer Bürgerinnen und Bürger stützen wir auch in den nächsten Jahren unser Klinikum, intensivieren die Zusammenarbeit mit den Niels-Stensen Kliniken und bringen einen kommunalen Medizinstudiengang an den Start. Unsere Stadtwerke Osnabrück sind entscheidender Partner in der Wärmewende, sie sichern die Wasserversorgung und forcieren den Breitband- und Netzausbau. Um diese wichtigen Zukunftsinvestitionen finanzieren zu können, stärken wir das Eigenkapital und tragen die Defizite aus dem Bäderbetrieb und dem ÖPNV. Die WIO wird ab 2026 weitere Projekte entwickeln, um den dringend benötigten bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wir lassen unsere kulturelle, soziale und bürgerschaftliche Infrastruktur nicht im Stich. Von uns gibt es das klare Signal: Die freien Träger, die Vereine und Initiativen, die vielen engagierten Menschen und ehrenamtlichen Kräfte sind unsere unverzichtbaren Partner*innen für ein lebenswertes Osnabrück!
Meine Damen und Herren, wieder haben wir ab September in unterschiedlichen Runden beraten, diskutiert, Fragen gestellt, Ideen entwickelt und manches auch wieder verworfen. Vielleicht in diesem Jahr noch einmal intensiver „unter jeden Stein geschaut“, ob sich dort nicht doch noch eine Einnahmeverbesserung oder eine verantwortbare Ausgabenreduzierung finden lässt. Aber es bleibt dabei: Dieser Doppelhaushalt ist nur mit Krediten in bislang nicht gekannter Höhe finanzierbar. Daran hätten auch Einschnitte in sehr schmerzhaften Größenordnungen nur marginal etwas geändert. Die Folgen für den Wirtschafts- und Hochschulstandort, für die Lebensqualität in unserer Stadt, für Integration und sozialen Zusammenhalt, für Bildungserfolg, Chancengerechtigkeit und Gesundheit, für die notwendige Transformation zur Klimaneutralität und vieles mehr wären extrem spürbar geworden. Eine Abwärtsspirale setzt sich schnell in Bewegung, aber ist nur sehr schwer zu stoppen oder gar umzukehren. Wer es nicht glaubt, kann in Städten des Ruhrgebiets oder in manchen Regionen Ostdeutschlands nachfragen. Gilt ein Standort erstmal als unattraktiv, zieht es Unternehmen, Studierende und Fachkräfte an andere Orte und sinken die Gewerbesteuereinnahmen, dann ist der Weg aus einem solchen Tal heraus aus eigener Kraft nicht mehr zu schaffen.
Aber, meine Damen und Herren, Osnabrück ist eine attraktive Stadt, ein Oberzentrum mit Strahlkraft und wir schöpfen unser Potenzial noch lange nicht voll aus! In den nächsten Jahren entwickeln Lok-Viertel und Magnum Gelände zu modernen urbanen Quartieren, in denen qualifizierte Arbeitsplätze und gutes Wohnen zusammenkommen. In Osnabrück finden Start-ups perfekte Bedingungen und treffen auf die Menschen, die Wachstum und Erfolg unterstützen. Im Jahr 2026 wird auch endlich das zentrale Projekt Neumarkt mit seinen positiven Effekten für die gesamte Innenstadt angegangen. Auch dafür geben wir heute die Mittel frei. Wir werden den Stadtbaurat unterstützen, damit die wichtigen Projekte der Innenentwicklung identifiziert, begleitet und vorangetrieben werden können. Das ist in der Regel mühsamer, als das Projekt auf der grünen Wiese, aber es lohnt sich. In unseren Stadtteilen und Quartieren schlummern noch riesige Potenziale. Im nächsten Jahr werden die grünen Finger 100 Jahre alt und wir werden eine Charta zu ihrem Schutz verabschieden. Auch diese Themen bilden sich im Haushalt ab und viele engagierte Menschen arbeiten dafür.
Einigen unserer Mitmenschen kommt Kritik an öffentlicher Verwaltung und den Mitarbeitenden sehr leicht über die Lippen oder fließt allzu ungehemmt in die Tastatur. Großartige Sachkenntnis geht damit in aller Regel nicht einher. Ich erlebe in meiner politischen Arbeit sehr viele, sehr engagierte und hochkompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserer Verwaltung und den städtischen Gesellschaften. Das Engagement für die Sache und unser aller Gemeinwohl ist vielfach herausragend. Dafür danke ich an dieser Stelle im Namen meiner Fraktion sehr herzlich!
„Die Einsicht in die Notwendigkeit von Veränderungen geht nicht immer einher mit einer entsprechenden Bereitschaft, dieser Einsicht Taten folgen zu lassen.“ Dieses Zitat stammt aus der Analyse der Ausgangslage der „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“. Und weiter: „Es braucht einen Aufbruch, es braucht beherzte Reformen in vielen Bereichen. Der Druck, ins Handeln zu kommen, ist enorm. Darin liegt eine große Chance. Sie muss genutzt werden.“ Osnabrück ist mit der schlechten finanziellen Lage nicht alleine. Es gibt kaum eine Kommune in Deutschland, die es nicht trifft. Alle sind darauf angewiesen, dass die zitierten „beherzten Reformen“ gelingen, vor allem auf Bundesebene. Mütterrente, Erhöhung der Pendlerpauschale und MwSt.-Senkungen für die Gastronomie sind eben keine Reformen. Eine Verschlechterung der Einnahmesituation ist das letzte, was wir brauchen. Was wir stattdessen sehr gut gebrauchen könnten, wären beispielsweise Vereinfachungen bei der Gewährung von Hilfen. Eine einzige Bedürftigkeitsprüfung zu Beginn des Prozesses mit zentraler Verwaltung der eingereichten Unterlagen würde sofort viel Kapazitäten in den Sozialverwaltungen frei setzen. Wir haben Menschen zu Vollzeit-Behördengänger*innen gemacht, anstatt ihnen effektiv zu helfen. Hier kann das Geld eingespart werden und nicht durch einen Generalverdacht gegen die Schwachen in unserer Gesellschaft.
Wir bringen erstmals explizit einen Ansatz für die Bekämpfung von Kinderarmut in diesen Haushalt ein. Nicht durch direkte Hilfen, die weiter Aufgabe des Bundes bleiben, sondern durch Unterstützung von Angeboten und möglich machen. Das ist vorausschauende Politik. Noch einmal ein Zitat aus genanntem Bericht: „Deutschland kann es sich nicht leisten, bildungsferne Kinder und Jugendliche auszuschließen. Wer heute nicht (aus)bildet, trägt später die sozialen Kosten. Außerdem werden alle verfügbaren Arbeits- und Fachkräfte in unserer alternden Gesellschaft dringend benötigt.“
In unserem Bildungssystem hängt der Erfolg in viel zu starkem Ausmaß von der Herkunft ab. Das wissen wir seit Jahrzehnten. Und diese Schere zwischen Kindern aus sozial schwachen Familien und Kindern aus sozial besser gestellten Familien öffnet sich bereits in frühem Kindesalter. Wir sehen auch in unserer Stadt, dass Kinder bei der Einschulung teilweise erhebliche Defizite mitbringen. Eine lange gemeinsame Zeit in gut ausgestatteten Krippen und Kitas, mit abgestimmten Konzepten der frühkindlichen Bildung, kann sehr viel bewirken. Wenn die Beitragsfreiheit, die heute beschlossen wird, dazu führt, dass keine Familie mehr wegen der Kosten dieses Angebot ausschlägt, dann ist es ohne Frage zum Wohl der Kinder und ihrer Chancen auf dem weiteren Lebensweg. Außerdem werden Eltern dadurch in die Lage versetzt, früher in den Beruf zurückzukehren oder mehr Stunden zu arbeiten. Dieses Arbeitskräftepotential stärkt unseren Wirtschaftsstandort.
Wir stehen für Förderung junger Familien in der Breite und da wo es am notwendigsten ist. Wer allerdings wie Sie, meine Damen und Herren von der CDU, eine kommunale Eigenheimförderung etablieren möchte, zielt auf den privilegiertesten Teil der Bevölkerung. Hören Sie endlich auf, den Menschen weismachen zu wollen, dass die 60er und 70er Jahre zurückkommen. Genauso wie die Erhöhung der Pendlerpauschale auf Bundesebene ist die Eigenheimförderung für den Klimaschutz kontraproduktiv und es profitieren nur die, die sowieso überdurchschnittlich viel haben. Lassen Sie uns im Februar gemeinsam mit der Verwaltung Instrumente entwickeln, wie wir den Generationswechsel in den vorhandenen Ein- und Zweifamilienhausgebieten gestalten können. Für die notwendige energetische Sanierung wird unser Programm „Osnabrück saniert“ einen Beitrag leisten. Dann wird daraus sinnvolle Stadtentwicklung!
Fazit: Osnabrück ist ein starkes Oberzentrum. Wir haben viel auf den Weg gebracht, was die Lebensqualität hebt, Wirtschafts- und Hochschulstandort stärkt, Integration möglich macht und den Schwächeren in unserer Gesellschaft hilft. Wir können die hohe Neuverschuldung aushalten und akzeptieren, weil es wieder besser werden kann. Aber dafür brauchen wir endlich die immer wieder versprochenen Reformen und die Mithilfe aller. Wenn viele nur „ICH“ rufen, ist eben nicht allen geholfen. Auch hohe Einkommen, große Vermögen und Renditen sind nur in einem funktionierenden Staat möglich, der verlässliche Rahmenbedingungen schafft, investieren kann und sich um alle seine Bürger*innen kümmert. Diesen Gedanken der Solidarität müssen wir wieder stark machen und gemeinsam mit den vielen klugen Köpfen in unserem Land für die nachholende Digitalisierung und Erleichterung in den bürokratischen Abläufen sorgen. Wir Grüne haben dieses Vertrauen in unsere Stadt, unser Land und Europa!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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