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07.01.20 –
Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos diskutieren die Mächtigen der Welt über Zukunftsfragen. Vor einem Jahr beschrieb dort eine - damals weniger bekannte - junge Frau den Zustand des Weltklimas in nur fünf Worten: “Our House is on fire”.
Greta Thunberg erntete dafür viel Kritik. “Übertriebene Panikmache” war noch einer der harmloseren Kommentare. Wie das wohl, keine 12 Monate später, die Feuerwehrleute aus Brandenburg, aus Kalifornien, vom Amazonas oder aus Sibirien sehen? „Am Ende eines Feuerlöschschlauchs werden Sie keine Klimaskeptiker mehr finden", wird gerade ein lokaler Feuerwehrchef aus Australien in den sozialen Medien zitiert!
Wir könnten auch Osnabrücks Chef-Baumpfleger Thomas Maag fragen. Nach zwei Jahren Hitzesommern mit Rekorddürre ist der Zustand vieler Bäume – sogar dicker, mächtiger Riesen, die vielleicht von unseren Großeltern und Urgroßeltern gepflanzt wurden - zum Erbarmen.
Früher, als es die eher vorsichtigen Prognosen des Weltklimarats angekündigt haben, erreichen wir die sogenannten Kipppunkte des Weltklimas: das Auftauen des Permafrosts, das Schwinden des westantarktischen und grönländischen Eisschildes. „Our House is on Fire“, so weit, so schlecht.
Dennoch war 2019 ein Jahr des klimapolitischen Aufbruchs. Der schüchterne Teenager von Davos ist heute „Person of the Year“. Es begann mit einer melancholisch, ja verzweifelt anmutenden Einzelaktion. Heute ist FridaysForFuture eine neue, wirkmächtige und erstaunlich optimistische weltweite Bewegung. Deren vielleicht wichtigste Botschaft „Listen to the Science“ ist.
In Zeiten von Fake-News, Hate-Speech und der Dauer-Empörung in sozialen Medien, wo Reichweite, also algorithmus-erzeugte Lautstärke, mehr zählt als Argumente, wo eine alberne Kinderlied-Satire mehr Aufmerksamkeit schafft, als die humanitäre Lage hunderttausender Geflüchteter in Syrien nach den türkischen Angriffen vom gleichen Tag, da ist die aufgeklärte Öffentlichkeit akut bedroht.
Davon setzt sich das „Hört auf die Wissenschaft“ wohltuend ab - und passt damit perfekt ins Möser-Jahr 2020.
Vertraut man der Beschlusslage des Rats, dann ist Osnabrück entschlossen, den Weg zur Klimaneutralität konsequent weiter zu gehen. Die landesweit erste E-Bus Linie ist bereits eingeführt und Osnabrück ist die erste Stadt Deutschlands, die einen Klima-Check für alle Ratsbeschlüsse etabliert. Dies ist auch dem Druck der Schüler*innen zu verdanken. Zu Recht hat das Jugendparlament dieses Engagement ausgezeichnet. So wie auch die Stadt mit dem Nachhaltigkeits-Preis, den Osnabrück unter anderem für das weltweit kopierte Solardachkataster erhielt. Das darf aber kein Grund zum Ausruhen sein. Vielmehr sollte 2020 der Startschuss für eine neue Solardachoffensive fallen.
„Our House is on Fire“, das gilt leider auch für die Demokratie. Die Trumps, Orbans, Bolsonaros oder die Gaulands und Höckes, stehen für gesellschaftliche Spaltung und überbordenden Nationalismus. Sie bekämpfen aber auch aktiv den faktenbasierten, politischen Diskurs. Was sich auch darin ausdrückt, das allesamt Klimawandel-Leugner, Förderer der fossilen Energien, der Abholzung und der Naturzerstörung sind.
Klar, auch die, die „das mal wieder sagen dürfen müssen“ haben ein Recht auf Meinungsfreiheit. Dabei ignorieren sie aber gerne, dass es kein Recht auf freie Rede gibt ohne das Recht der anderen auf Gegenrede. Wer hetzt, wer Geflüchtete, Fremde, Andersdenkende, Juden oder Muslime pauschal herabwürdigt, der muss mit unserem vehementen Widerspruch rechnen.
Die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke oder das Attentat auf die Synagoge in Halle sind extreme Verbrechen, rechter Terror. Beginnen tut es jedoch mit Hetze, mit Drohungen wie aktuell gegen Bischof Bedford-Strohm, mit verbalen Angriffen auf Rettungsdienste, Behörden oder Bürgermeister*innen – über die ja auch die NOZ gestern berichtete.
Wir dürfen und wir werden es nicht zulassen, dass Verwaltungsmitarbeiter*innen attackiert werden. Und auch wenn ich häufig nicht einer Meinung mit unserem OB bin, wenn er oder andere Ratsmitglieder für ihre Position herabgewürdigt oder gar tätlich angegriffen werden, dann stehen wir zusammen!
Die Klimakrise ist auch eine soziale Krise. Überall müssen die Ärmsten das größte Katastrophenrisiko tragen. Viele haben ein feines Gespür dafür, wie gerecht, wie fair Lasten und Reichtümer verteilt sind.
Naomi Klein formuliert es mit Blick auf die französischen „Gelbwesten“ so: Ein echter „Green New Deal bedeutet, dass sich jeder für das Ende der Welt interessiert und (zugleich) jeder das Ende des Monats im Blick hat. Niemand sollte jemals wieder eine Wahl treffen müssen“.
Wir werden den Übergang in das postfossile Zeitalter nur schaffen, wenn niemand Angst davor haben muss, dass sein bisschen Wohlstand dafür geopfert wird.
Da ist in Osnabrück noch viel zu tun. Trotz guter Wirtschaftslage sinkt die Zahl der Haushalte, die Unterstützung erhalten, nicht. Die Osnabrücker Quote liegt bei über zehn Prozent, betroffen sind mehr als 9.000 Haushalte. Über ein Fünftel unserer Kinder leben in Armut. Ihr Bildungsabschluss ist immer noch vor allem von der Herkunft abhängig.
Deswegen sind die Rekordinvestitionen, die wir für Kitas und Schulen beschlossen haben, so wichtig. Deswegen hat die überwältigende Mehrheit in unserer Stadt für bezahlbaren Wohnraum mit einer kommunalen Wohnungsgesellschaft votiert.
Auch beim Thema Verkehr geht es um fairen Zugang und Gerechtigkeit. Kein Wunder, dass es hier schnell emotional hoch hergeht, angesichts der Angst der Radler*innen ums nackte Überleben, der Sorge der Anwohner*innen vor Rasern und giftigen Abgasen. Und der Gesundheit der mehr als 38.000 Lärmopfer in Osnabrück.
Da ist aber auch der Einpendler, dem der ÖPNV keine Alternative bietet, die Kaufleute, die um die Erreichbarkeit der City bangen und der Landbewohner, der zu Hause keine Fachärzte, Beratungs- oder Kulturangebote mehr findet.
Um diese konfliktive Interessenlage zu lösen, brauchen wir eine Win-Win-Strategie. Wenn Radwege sicherer und Busse schneller wären, würden mehr Städter umsteigen. Dann wäre der Weg frei, für meine pendelnde Kollegin aus dem Landkreis, die noch viele Jahre auf das Auto angewiesen sein wird - zumindest solange bis sie autonom fahrende Sammeltaxis, bestenfalls „Made im Fledder“, zur nächsten Stadtbahnhaltestelle bringen.
Bei fast 60.000 Ein- und 25.000 Auspendler*innen ist klar, dass wir das als Stadt nicht alleine lösen können. Ich freue mich daher über die Ansage unserer neuen Landrätin, mehr für den ÖPNV in der Fläche zu tun.
Machen wir das gemeinsam. Sichern wir die Lebensqualität auf dem Land und erhöhen wir zugleich die Erreichbarkeit des Oberzentrums. Befreien wir die Stadt von nervigen und gefährlichen Staus.
Der Radschnellweg von Belm ist ja erst der Anfang. Bramsche, Wallenhorst, Lotte werden folgen. In wenigen Wochen geht das Busnetz 2020 an den Start. Bauen wir dieses Netz regional weiter aus. Machen wir gemeinsam Druck in Hannover, damit das OS-Bahn-Konzept umgesetzt wird. Und, trauen wir uns, mehr Effizienz in den Straßenraum zu bringen. Eine Stadtbahn transportiert so viele Personen wie zwei Busse oder 145 PKWs. Wieviel Stadtraum, wieviel Lebensqualität könnte damit frei werden!
Auch 2020 gibt es weiterhin viel zu tun für uns. Vergessen wir nicht, die Aufgaben sind größer, als der oft kleinkarierte Streit des politischen Alltags. Die GRÜNEN freuen sich auf die gemeinsame Arbeit.
www.noz.de/lokales/osnabrueck/artikel/1971821/viele-worte-eine-botschaft-osnabrueck-haelt-zusammen
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