Volkszählung (Zensus) / Neuberechnung der amtlichen Einwohnerzahlen (Stichtag 31.12.2011)

25.06.13 –

Erste Auswertungen der Volkszählung (Zensus 2011) haben für die Stadt Osnabrück einen deutlichen Rückgang der Einwohnerzahlen ergeben. Wir fragen die Verwaltung:

  1. Welche Schritte plant die Stadt, um das Ergebnis zu überprüfen?
  2. Was bedeutet das für die Stadt Osnabrück finanziell?
  3. Welche Auswirkungen haben die großen Abweichungen auf die Gültigkeit von Programmen und Berichten, die auf offenbar falschen oder zumindest überholten statistischen Annahmen/Daten basieren?

Zur Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantwortet der Fachbereich Stadtentwicklung und Integration gemeinsam mit dem Fachbereich Finanzen und Controlling wie folgt:

 

1.     Welche Schritte plant die Stadt, um das Ergebnis zu überprüfen?


Ca. vier Wochen nach Veröffentlichung der Zensus-Daten wird der offizielle Feststellungsbescheid der Stadt Osnabrück zugestellt. Der Feststellungsbescheid wird dahingehend geprüft, ob die Zahlen des Zensus 2011 nachvollziehbar sind. Ist das Ergebnis des Zensus 2011 nicht schlüssig, ist zu prüfen, ob eine Anfechtungsklage, evtl. als Sammelklage mit anderen Städten eingereicht wird.

Im Vorfeld werden Bevölkerungszahlen der Stadt Osnabrück dahingehend überprüft, ob ggf. Fehler in der Erfassung/Abmeldung der Ausländer/-innen in der Stadt Osnabrück vorliegen. Dies wurde als ein Grund des Landesbetriebes für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen (LSKN) für die Unterschiede genannt (NOZ-Veröffentlichung vom 01.06.2013). Die Ergebnisse anderer Städte werden verglichen mit denen der Stadt Osnabrück, um ggfs. Erklärungen für die Abweichung der Zensusergebnisse zur amtlichen Einwohnerzahl bzw. zu den Melderegisterzahlen zu erhalten oder andere Auffälligkeiten festzustellen.

Des Weiteren wurde das Datenblatt für die Stadt Osnabrück angefordert. Zurzeit werden die Angaben des Datenblattes analysiert sowie die Auswahlkriterien der Stichprobe überprüft und deren methodischen Erläuterungen näher betrachtet. Es wurde Kontakt zum LSKN aufgenommen, um weitere Informationen zur Erhebungspraxis und deren Auswertungsmethode zu erhalten.

 

2. Was bedeutet das für die Stadt Osnabrück finanziell?


Die Reduzierung der Einwohnerzahlen hat unterschiedliche finanzielle Auswirkungen auf den städtischen Haushalt. In der Regel ist mit erheblichen Ertragseinbußen zu rechnen, gerade im Bereich des Kommunalen Finanzausgleichs. Lediglich in einzelnen Bereichen, in denen eine Abrechnung von Leistungen mit der Stadt Osnabrück auf Basis der Einwohnerzahl erfolgt, sind Einsparungen möglich.

Im Nachfolgenden werden die finanziellen Auswirkungen im Bereich der verschiedenen Fachbereiche, Ämter und Eigenbetriebe der Stadt Osnabrück dargestellt, die aus dem Ergebnis des Zensus 2011 resultieren könnten. Bei den hier nicht genannten Fachbereichen ergeben sich keine finanziellen Auswirkungen aus dem Ergebnis des Zensus 2011.

Sonderbudget Finanzen (209):

Kommunaler Finanzausgleich (NFAG)
Die Auswirkungen des Zensus haben einen erheblichen Einfluss auf die Leistungen des Kommunalen Finanzausgleichs. Aus dem Finanzausgleich erhält die Stadt Osnabrück Zuweisungen für Aufgaben des übertragenden Wirkungskreises sowie Schlüsselzuweisungen.

Für die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises wird ein Teil der Gesamtzuweisungsmasse des Kommunalen Finanzausgleichs an die Landkreise und kreisfreien Städte nach einem Pro-Kopf-Betrag verteilt. Eine Reduzierung der Einwohnerzahl führt somit zu einer proportionalen Reduzierung der Zuweisungsmasse.

Die Verteilung der Schlüsselzuweisungen erfolgt nach einer im Niedersächsischen Finanzausgleichsgesetz geregelten Verteilungssystematik. Zur Ermittlung der auf die einzelnen Kommunen entfallenden Schlüsselzuweisungen wird einem fiktiven Finanzbedarf die Finanzkraft der Kommune gegenübergestellt. Die Finanzkraft der Kommune ergibt sich aus den Gemeindeanteilen an der Einkommen sowie Umsatzsteuer, aus den Grundsteuern sowie der Gewerbesteuer. Der fiktive Finanzbedarf einer Gemeinde wird errechnet aus einem Bedarfsansatz, der sich aus der Einwohnerzahl (veredelt um einen Faktor für die individuelle Gemeindegröße und für die individuellen Belastungen aus den Sozialhilfelasten) multipliziert mit einem Grundbetrag ergibt. Die Differenz aus Finanzkraft  und Finanzbedarf wird in Niedersachsen zu 75% durch die Schlüsselzuweisungen ausgeglichen. Eine Reduzierung der Einwohnerzahl führt zu einer Reduzierung des fiktiven Finanzbedarfes und damit auch zu einer Reduzierung der Ausgleichssumme.

Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Finanzausgleichsleistungen der vergangenen Jahre und unter der Annahme, dass die Berechnungsparameter unverändert bestehen bleiben, ist mit einer Reduzierung der Ausgleichsleistungen von insgesamt rd.6 Mio. € zu rechnen.

Auswirkungen auf weitere Steuerarten

Die Reduzierung der Einwohnerzahlen tangiert den Bereich der Steuereinnahmen nicht direkt. Weder der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer, der Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer,  die Grundsteuer A und B noch die Gewerbesteuer oder die Vergnügungssteuer verändern sich aufgrund der Reduzierung der Einwohnerzahl der Stadt Osnabrück. Grundlage sind hier andere Parameter, wie z. B. Steuermessbeträge, sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, Einkommensteuerleistungen der Bürger oder der Gewerbeertrag.

Niedersächsisches Finanzverteilungsgesetz (NFVG)

Gem. § 4 NFVG erhalten u. a. die kreisfreien Städte Leistungen für neu zugewiesene oder übertragende Aufgaben. Für die Stadt Osnabrück ergaben sich so für das Jahr 2013 insgesamt Zuweisungen in Höhe von 373.421 €. Die Höhe einzelner Zuweisungen richtet sich u. a. nach der Einwohnerzahl. Nachfolgend aufgelistet sind die entsprechenden einwohnerabhängigen Leistungen:

Zweck

Betrag

Elterngeld-Elternzeitgesetz

85.279 €

Zulassung zum Straßenverkehr

2.082 €

Städtebaurecht

10.617 €

Heimrecht

4.371 €

Aufsicht wirtschaftliche Vereine

1.248 €

Schornsteinfegerwesen

1.248 €

Wohnraumfördergesetz

134.068 €

Denkmalschutz-/pflege

10.409 €

Personenstandswesen

4.371 €

Gesamtsumme:

253.693 €

 

Die relative Veränderung der Einwohner in Höhe von 4,241% (Verlust der Stadt Osnabrück im Verhältnis zum Einwohnerverlust auf Ebene des Landes Niedersachsen) ergibt eine Reduzierung der Leistungen in Höhe von rd. 10.800 €.

Fachbereich Finanzen (20):

Aufwendungen für die Softwarebetreuung ITEBO

Die Abrechnungsmethodik laufender Verträge zum gesamtstädtischen Anwendungsmanagement von SAP und der von der Steuerabteilung genutzten Software KMV mit der ITEBO basiert auf den amtlichen Einwohnerzahlen. Für das Jahr 2013 wurde bei der Kalkulation eine Einwohnerzahl in Höhe von 164.000 Einwohnern zugrunde gelegt, für 2014 von 166.000 Einwohnern.

Eine Absenkung der Bevölkerungszahlen um ca. 10.000 Einwohner auf ca. 155.000 würde rein rechnerisch in 2013 zu einer Budgetentlastung in Höhe von ca. 38.000 € und 2014 in Höhe von ca. 42.000 € beitragen. Ggf. könnte in diesem Zusammenhang sogar über Rückforderungsansprüche für die Jahre 2011/2012 nachgedacht werden. Dies müsste rechtlich jedoch noch geklärt werden.  Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der bestehende Rahmenvertrag mit der ITEBO eine 10%ige Anpassungsklausel bei der Erhöhung der Preise enthält.

Fachbereich Bürger und Ordnung  (32):

Wahlen:

Der Bereich Bürger und Ordnung erhält für die Durchführung von Bundestags-, Landtags- und Europawahlen vom Land eine Erstattung, die u. a. auch eine pauschale Erstattung je Wahlberechtigten vorsieht. Eine zensusbedingte Korrektur der Wahlberechtigten könnte hier zu Mindererstattungen in noch unbekannter Höhe führen.

Feuerwehr (37):

Feuerschutzsteuer:

Im Bereich der Feuerwehr wird die verringerte Einwohnerzahl Einfluss auf die Höhe der Zuweisung vom Land aus der Feuerschutzsteuer haben. Nach dem entsprechenden RdErl. erhält die Feuerwehr für zwei Brandschaubereiche zunächst 96.000 € als Zuweisungsbetrag. Zwei Fünftel der darüber hinaus zu verteilenden Mittel werden vom Land nach der Einwohnerzahl verteilt, sowie zwei Fünftel nach der Anzahl der Ortsfeuerwehren und ein Fünftel nach der Gemeindefläche. In 2012 betrug der Zuweisungsbetrag insgesamt 325.642,81 €. Darin enthalten war ein einwohnerabhängiger Betrag in Höhe von 176.760,50 €. Der relative Verlust an Einwohnern (-4,241%) hätte eine Reduzierung der Leistungen in Höhe von rd. 7.500 € zur Folge.

Fachbereich Kinder, Jugendliche und Familien (51):

Bundesmittel und Förderprogramme:

Das Land greift bei der Verteilung von Bundesmitteln an die Kommunen und bei landeseigenen Förderprogrammen, u.a. als ein Kriterium zur Bestimmung der Fördersumme bzw. Festlegung des kommunalen Anteils, auf die beim Landesamt für Statistik vorgehalten Bevölkerungsdaten zurück (Anzahl der Kinder/Jugendlichen im Alter von… bis…). Wenn sich diese aufgrund der Ergebnisse des Zensus ebenfalls verringern, kann es Auswirkungen auf die finanziellen Zuwendungen haben. Ob dieses der Fall ist und wenn ja, in welcher Höhe, kann allerdings zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden.

Fachbereich Städtebau (61):

Landesmittel:

Der Fachdienst 61-4 „Verkehrsplanung“ erhält  pro Einwohner 1,00 € von der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen. Gezahlt wird jeweils zum 30.06. ausgehend von der Einwohnerzahl vom 30.06. des Vorjahres. Im Jahr 2012 wurden 164.185 € vereinnahmt. Eine Reduzierung der Einwohnerzahlen (absolute Veränderungen  rd. - 10.000) würde dazu führen, dass rd. 10.000 € weniger eingenommen werden.

Volkshochschule (VHS):

Förderung nach dem NEBG:

Eine Reduzierung der Einwohnerzahlen führt bei VHS zu einer Verringerung der Förderung nach dem NEBG (Finanzhilfe nach dem Nds. Erwachsenenbildungsgesetz) um knapp 4.000 € jährlich.

Osnabrücker ServiceBetrieb (OSB):

Öffentlichkeitsarbeit:

Finanzielle Auswirkungen ergeben sich neben der veränderten Einwohnerstruktur und der darauf ausgerichteten Dienstleistungen zunächst konkret im Bereich des Dualen Systems Deutschland (DSD). Der OSB erhält für Öffentlichkeitsarbeit Erträge in Höhe von 1,24 € / Einwohner pro Jahr. Eine Reduzierung der Einwohnerzahl führt zu einer Verringerung der Erträge in Höhe von ca. 12.000 €.

Zusammenfassung:

Zusammengefasst können sich nachfolgende finanzielle Auswirkungen für die Stadt Osnabrück ergeben.

Fachbereich/Amt/Eigenbetrieb

Ertragseinbußen

Minderaufwendungen

Finanzen und Controlling (20)

 

38.000 € - 42.000 €

Sonderbudget Finanzen (209) (NFVG)

10.800 €

 

Sonderbudget Finanzen (209) FAG)

ca. 6 Mio. €

 

Bürger und Ordnung (32) (Wahlen)

k. A.

 

Feuerwehrt (37) (Feuerschutzsteuer)

7.500 €

 

Kinder, Jugendliche und Familien (51) (Bundesmittel und Förderprogramme)

k. A.

 

Städtebau (61) (Landesmittel)

10.000 €

 

Volkshochschule (VHS) (NBEG)

4.000 €

 

Osnabrücker ServiceBetrieb (OSB) (Öffentlichkeitsarbeit)

12.000 €

 


3. Welche Auswirkungen haben die großen Abweichungen auf die Gültigkeit von Programmen und Berichten, die auf offenbar falschen oder zumindest überholten statistischen Annahmen/Daten basieren?

Grundsätzlich werden statistische Berichte und Veröffentlichungen der Stadt auf Zahlen der eigenen melderegistergestützen Fortschreibung aufgebaut, da nur diese Zahlen kleinräumig (z.B. auf Stadtteilebene) zur Verfügung stehen. Die amtliche Zahl wird überwiegend für Vergleiche mit anderen Städten verwendet, weil nur diese auf einer einheitlichen und vergleichbaren Erfassung beruht.

Änderungen sind in Berichten zu erwarten, die auf einwohnerabhängigen Kennzahlen der amtlichen Statistik beruhen, wie z.B. die Pro-Kopf-Verschuldung oder die CO2-Emissionen pro Einwohner. Diese Änderungen entstehen in allen Städten mit einer veränderten amtlichen Einwohnerzahl. Es werden keine Auswirkungen auf die Gültigkeit von Programmen, sondern auf die finanziellen Zuweisungen aus Programmen erwartet.

Da die eigenen Melderegisterdaten nicht mit den Zensus-Daten abgeglichen werden dürfen, wird es weiterhin unterschiedliche Bevölkerungsdaten geben. Auch bei der Volkszählung 1987 durfte kein Abgleich der Daten erfolgen. Somit kann die Differenz der eigenen Fortschreibung und die amtlichen Bevölkerungszahlen auch zukünftig sehr unterschiedlich sein.

 

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