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02.02.16 –
Moderne Gesellschaften nicht nur westlicher Industriestaaten stellen hohe Anforderungen an die Mobilität. Im Laufe der letzten 100 Jahre haben wir ein Modell von Leben und Wirtschaften entwickelt, das ständige Mobilität von Waren und Dienstleistungen und letztlich auch nahezu grenzenlose Beweglichkeit der Menschen erfordert. Der überwiegende Teil des Verkehrs wird nach wie vor auf unseren Straßen abgewickelt. LKW-Verkehr für den Transport und PKW-Verkehr für die Wege der Menschen von A nach B. Erstaunlich ist, dass über Jahrzehnte die Anzahl der täglichen Wege mehr oder weniger gleich geblieben ist. Laut aktueller SrV-Studie der TU Dresden in Osnabrück aktuell 3,9 Wege pro Person und Tag. Nur ihre Länge und die dafür nötige Zeit steigen ständig. Wir haben uns daran gewöhnt, bzw. nie anderes erlebt. Dazu bemerkt die FAZ: „Die Menschen, die heute ins Rentenalter kommen, sind bereits mit relativ hoher Mobilität sozialisiert worden: Der erste VW Käfer, der erste Urlaub an der Adria, die erste Flugreise nach Übersee sind kollektive Erfahrungen dieser Generation.“ (FAZ, 29.05.2013: „Stellt den McDrive doch unter Denkmalschutz!“) Sicher ein Grund, warum Veränderung als Bedrohung wahrgenommen wird und nicht als Chance etwas besser zu machen.
In die Stadtplanung hat in der Nachkriegszeit mit der Charta von Athen die Idee der Funktionstrennung Einzug gehalten und der PKW wurde zum Mittel um die notwendigen Wege zwischen Wohnung, Arbeitsstätte und Freizeitaktivitäten zurücklegen zu können. Die Konsequenz ist die autogerechte Stadt. Auch Osnabrück sieht man dieses fatale Leitbild des Wiederaufbaus leider an. Wer erinnert sich nicht noch an die wahnwitzigen Ideen zur Verschwenkung von Lotter Straße, vierspurigem Ausbau der Dielingerstraße und Durchbruch bis zum Nonnenpfad. Die Diskussion über den Neumarkt würden wir womöglich gar nicht führen müssen.
Die Wohnform im Einfamilienhaus mit Garten und Garage wurde zu einer Selbstverständlichkeit. Gänzlich in Vergessenheit gerät, dass diese Siedlungsform eine Erscheinung der Nachkriegszeit ist und noch vor 100 Jahren nahezu unbekannt war. „In den sechziger Jahren bis etwa zur Jahrtausendwende nutzten […] weite Teile der Bevölkerung die Möglichkeiten, die sich durch Pkw, Straßenbau und Wohlstand eröffnet hatten, und zogen ins Umland der Städte, verwandelten Dörfer in Vorstädte und den ländlichen in einen suburbanen Raum“, heißt es in dem schon erwähnten Artikel der FAZ (29.05.2013: „Stellt den McDrive doch unter Denkmalschutz!“)
Der Punkt ist: Wir haben es nicht mir Naturgesetzen zu tun, wir haben es so organsiert. Die Angebotspolitik hat Erfolg gehabt! Das Angebot des Motorisierten Individualverkehrs wurde mit so großem Erfolg angenommen, dass die negativen Folgen heute niemandem mehr verborgen bleiben können: CO2-Ausstoss, Lärm, die Luftschadstoffe Feinstaub, Stickoxid und Ozon, Flächenbedarf, Verkehrssicherheit - aktuell wieder deutlich steigende Unfallzahlen -, Rückgang des Stadtlebens, der sozialen Interaktion im öffentlichen Raum u.v.m.
Überall versuchen Städte hier Lösungen zu finden und sind erfolgreich: Wien hat einen Nahverkehrsanteil am Modal Split von 39%, Kopenhagen oder Groningen noch höhere Werte im Radverkehr. Angebotspolitik funktioniert also auch mit anderen Verkehrsträgern, Lösungen sind möglich! Neue Straßen und Träume von mittleren Ringen wie bei der SPD gehören allerdings eindeutig zu den Lösungsstrategien der autogerechten Stadt und damit in die Geschichtsbücher.
Wenn wir in Osnabrück an Veränderungen arbeiten, ist das für die CDU „rot-grüne Bevormundung“. Okay, es ist schon Vorwahlkampf, aber Politik ist Ausgleich von Interessen und Sorge um die Zukunft.
Es geht um Stadt, um unsere Stadt. Die ist mehr als Verkehrsraum und Einzelhandelsstandort. Es geht um einen Lebensraum, es geht um das Leben! Wir stehen für Klimaschutz, Lärm- und Schadstoffreduktion, für eine gesunde und sichere Stadt, in der das Stadtleben auch draußen stattfinden darf. In Städten auf der ganzen Welt fordern die Menschen das ein! Das ist Politik für Bürgerinnen und Bürger!
Sie machen Politik für Autos, bei der Ihnen das menschliche Maß absolut abhandengekommen ist. Das ist eine Sackgasse und sie wissen das. Für den kurzfristigen Wahlerfolg, ist Ihnen das aber egal. Noch ist das Wahlprogramm nicht gedruckt. Es bleibt noch Zeit zum Nachdenken.
42% der Wege zwischen 1 und 3 km werden von Osnabrückern mit dem PKW zurückgelegt, zwischen 3 und 5 km sind es 62%. Wenn wir die richtigen Angebote machen, gibt es ein enormes Potential für den Umstieg auf Rad und ÖPNV. Nutzen wir es!
Es wird noch für sehr lange Zeit Autoverkehr in dieser und in allen anderen Städten geben, aber nicht mehr immer auf direktestem Weg und bis vor jede Tür. Wenn Osnabrück, wie von allen gewünscht und gefordert, wachsen soll, gehört dazu Lebensqualität und eine Verkehrspolitik, die Mobilität vielfältig ermöglicht und nicht die Menschen zur Stadt heraustreibt. Dafür steht die grüne Fraktion! Danke für ihre Aufmerksamkeit.
Sitzung des Rates der Stadt Osnabrück am 2. Februar 2016, TOP 4 Aktuelle Stunde: Verkehrspolitik in Osnabrück
Rede Jens Meier, Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen
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