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02.01.13 –
Handgiftenrede 2013 des Fraktionsvorsitzenden Michael Hagedorn, gehalten am 02.01.2013 im Friedenssaal des Osnabrücker Rathauses: Am 22.12. erschien im Internet die Anzeige: "Deutsche Bahn – Hauptsponsor des Weltuntergangs. Wir bitten die Verspätung zu entschuldigen." Der von den Majas vorhergesagte Weltuntergang hat nun nicht stattgefunden. Also müssen wir uns mit der Gestaltung der Zukunft in unserer Stadt beschäftigen! Was aber sind die Zukunftsfragen? Was macht die Stadt der Zukunft aus?
Ob Città Slow, das Netzwerk „die globale europäische Stadt", die „Morgenstadt-Initiative" des Fraunhofer Instituts oder andere: Einig ist man sich, dass die moderne Stadt der Zukunft folgende Anforderungen erfüllen muss:
Insbesondere ist die Stadt der Zukunft die Stadt der Kreativen, denn Ideen sind der Rohstoff der Zukunft. Wer im Wettbewerb der Städte bestehen will, muss kreative Talente nicht nur ausbilden und anziehen – sondern auch halten.
Misst man Osnabrück hieran, so könnte man sagen, wir sind gut aufgestellt, denn wir arbeiten an allen Punkten:
Ist also alles in Ordnung?
Lassen Sie mich in Anbetracht der begrenzten Zeit auf zwei wesentliche Aspekte eingehen:
Im Rahmen der Schulentwicklungsplanung gehört neben der Entwicklung individueller Schul- und Vorschulkonzepte natürlich die Raumplanung und die entsprechende Bereitstellung moderner Schulgebäude zu unseren Aufgaben. Und wenn wir die von uns für richtig gehaltenen Angebote für gemeinsames Lernen ausbauen wollen, so kostet dies eine Menge Geld, wie wir am Ausbau der Gesamtschule Eversburg sehen.
Trotz enormer Anstrengungen und Investitionen in zweistelliger Höhe in den letzten Jahren kommen wir den Notwendigkeiten nicht schnell genug nach.
Wie aber lassen sich die notwendigen Finanzmittel heben? Natürlich durch eine entsprechende Schwerpunktsetzung bei unseren Investitionen. Dazu komme ich später noch. Darüber hinaus müssen wir aber angesichts erheblicher Schülerzahlen aus dem Landkreis zu einer Mitfinanzierung des Landkreises bei den Investitionen für Schulen kommen oder aber wir müssen die Aufnahme von Landkreisschülern begrenzen.
Darüber hinaus müssen wir möglicherweise über andere Strukturen nachdenken: Würden z.B. die Schulgebäude in eine Stiftung überführt, so ließen sich mit Sicherheit auch private Mittel in nicht unerheblichem Maße gewinnen, um die notwendigen Investitionen zu leisten, ohne dass dies haushaltsrelevant wäre.
Zugegebenermaßen habe ich die Auswirkungen für die Konzernbilanz nicht untersucht, ich hielte es aber für lohnenswert, das zu prüfen.
Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, ist ein Aspekt für die Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit der Stadtentwicklung insgesamt, nämlich die Mobilität.
Fest steht, da sind sich alle Forschungsinstitute einig, dass wir die Klimaschutzziele nicht erreichen werden, wenn wir nicht den Verkehr in unsere Reduktionsbemühungen einbeziehen und hier wird es um mehr gehen, als Verbrennungsmotoren durch Elektroantriebe zu ersetzen. Dies hat aber weniger mit Verbot und Verzicht usw. zu tun, sondern mit objektiv notwendigen Veränderungen wie zum Beispiel dem veränderten Verhalten gerade junger Menschen.
In einer bereits vor 10 Jahren erschienen Ausgabe des Scinexx- Wissensmagazins der Springer Science & Business Media heißt es: „Das Auto sichert uns die individuelle Mobilität und ist Statussymbol der Wohlstandsgesellschaft. Doch der Flächenanspruch für den Individualverkehr ist enorm. 44 Prozent der gesamten Siedlungsfläche der Bundesrepublik werden von Verkehrsflächen beansprucht. Damit ist das Auto der größte Flächenkiller und kann daher im Hinblick auf ökologisch nachhaltigen Städtebau nicht das Transportmittel der Zukunft sein".
Und im März 2011 hat der bekannte Architekt Jürgen Mayer H., Initiator des Projektes Metropol Parasol in Sevilla, in einem mit dem Ausspruch „Wir brauchen keine Ampeln und Parkplätze" betiteltem Interview der Wirtschaftswoche gesagt:
„Eigentümer eines Automobils zu sein ist vor allem in Städten ein völlig überholtes Modell. Es gibt Möglichkeiten, auf privaten Autobesitz zu verzichten und trotzdem individuell unterwegs zu sein".
Zukunftsforscher sind sich einig, dass das Auto bei der Mobilität der Zukunft eine wesentlich geringere Rolle als heute spielen wird.
Was aber machen wir?
Fragen wie Car-Sharing oder Radverkehr werden teilweise immer noch als nette Ergänzung zu den Hauptverkehrsmitteln Auto und Bus oder gar als Freizeitgerät angesehen –die strategische Bedeutung für die städtische Mobilität wird häufig nicht gesehen. Im Gegenteil, es ist erst wenige Jahre her, da wurde der Winterdienst auf Radwegen mehrheitlich im Rat abgelehnt, weil man die Flächen als Schneeablage für die geräumten Autopisten zu brauchen glaubte.
Und auch heute noch führen wir aufgeregte Diskussionen darüber, ob der Neumarkt oder gar die Martinistraße zugunsten des ÖPNV und des Radverkehrs nun 2- spurig werden darf oder ob bei solchen Maßnahmen die Innenstadt verödet. Dabei sollten wir das von den Stadtwerken initiierte Mobilitätskonzept 2030 ernst nehmen.
Stattdessen ist eines der größten Einzelinvestitionsvorhaben, wenn es nach bestimmten Kräften in dieser Stadt geht, der Bau einer neuen Umgehungsstraße für mindestens 10 Mio. Euro - eine Straße, die niemand braucht und die, statt den innerstädtischen Verkehr zu reduzieren, ihn nach Aussagen des Verkehrsgutachters am Westerberg um mehr als 50 Prozent steigern würde. Gleichzeitig arbeiten wir an aufwendigen Lärmminderungsplänen für die Stadt.
Diese Belastungsstraße würde wohl einmal als Symbol des Anachronismus der Stadtplanung unserer Zeit gelten, würde sie denn tatsächlich gebaut.
Doch damit nicht genug: Lohnenswert wäre es, sich Gedanken darüber zu machen, wie der ÖPNV so attraktiv gemacht werden könnte, dass man ernsthaft über ein Bürgerticket diskutieren und beim Bund um die benötigten Fördermittel nachzusuchen. Stattdessen herrscht teils Begeisterung, wenn der Verkehrsminister Ramsauer ein selbstgemaltes Papier mit der allseits bekannten vorläufigen Trasse der A33 aus der Tasche zieht - was für ein Theater und vor allem: Was wäre das für eine Ressourcenverschwendung für eine 6-minütige Fahrzeitverkürzung.
Wir reden bei der Mobilitätsveränderung nicht von einer fernen Zukunft: Dass man bereits heute entsprechende Erfolge erzielen kann, zeigen die europäischen Umwelthauptstädte Stockholm und Nancy:
Stockholm hat es geschafft, im Zeitraum von 1990 bis 2009 den CO2-Pro-Kopf-Ausstoss um fast 40 Prozent zu senken. Damit liegen die Emissionen hier um 50 Prozent niedriger als im Rest des Landes- ein beachtliches Ergebnis dass laut Jury neben dem massiven Einsatz regenerativer Energien den durchdachten ÖPNV- und Mautsystemen zu verdanken ist, die den Verkehr in der Stadt deutlich reduziert haben.
Oder Nancy: Die belebte Innenstadt ist allein dem ÖPNV, Fahrradfahrern und Fußgängern vorbehalten, während in den angrenzenden Straßen nur Tempo 30 gefahren werden darf. Leihfahrräder gibt es in der ganzen Stadt.
Wir müssen uns entscheiden, in welche Richtung wir unsere Stadt entwickeln wollen und dann konsequent hieran arbeiten und die Mittel darauf konzentrieren. Was wir brauchen sind intelligente Problemlösungen von heute für die Probleme von heute und morgen und nicht Lösungen von vorgestern für die Probleme von gestern.
Albert Einstein hat einmal gesagt: „Ein Abend, an dem sich alle Anwesenden einig sind, ist ein verlorener Abend." Insofern gehe ich davon aus, dass ich mit meinen teilweise bewusst provokativen Ausführungen zur Sinnstiftung dieses Abends beigetragen habe. Ich wünsche Ihnen und vor allem unserer Stadt ein erfolgreiches Jahr 2013.
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