Giftige Weichmacher in Kindertagesstätten

05.04.11 –

Laut Mitteilung des BUND (http://bit.ly/fFFw8t) sind deutsche Kitas offenbar überdurchschnittlich mit gesundheitsgefährdeten Chemikalien belastet. Es handele sich um Weichmacher, so genannte Phthalate, die vor allem in Einrichtungsgegenständen aus Weich-PVC vorkommen. Konkret seien dies Fußböden, Vinyltapeten, Matratzenschonbezüge, Turnmatten und Hüpfbälle. 

Die Kinder würden die Chemikalien entweder über den direkten Hautkontakt mit belasteten Gegenständen oder durch das Einatmen von belastetem Staub aufnehmen. Auch über die Nahrung können Weichmacher in den Körper gelangen. Etwa dann, wenn diese in PVC-haltiger Verpackung oder in Plastikdosen aufbewahrt wird. Die Weichmacher wirken vor allem auf das Hormonsystem der Kinder. Schäden an den Fortpflanzungsorganen und eine Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit können die Folge bei den Jungen sein. Bei Mädchen könnten die Weichmacher zu einer verfrühten Pubertät führen. 

Wir fragen die Verwaltung: 

  1. Sind entsprechende Schadstoffbelastungen von Osnabrücker Kindertagesstätten bekannt?
  2. Hält die Verwaltung Vorsorge gegen eine Belastung mit Weichmachern für sinnvoll?
  3. Wird Vorsorge betrieben? 

Die Verwaltung beantwortet die Anfrage wie folgt: 

Weichmacher, genauer gesagt Phthalate bestehen aus einer Gruppe von chemischen Verbindungen mit unterschiedlicher gesundheitlicher Relevanz und werden in einer Vielzahl von Produkten eingesetzt. Anwendung finden Phthalate beispielsweise in Klebstoffen, Farben und Lacken oder bei der Papierherstellung. Circa 90% der Phthalate werden als Beimengung zu PVC gebraucht, um das in Reinform sehr harte und spröde PVC in ein leicht formbares „weiches" Material umzuwandeln. Der Einsatz von Phthalaten als PVC-Weichmacher ist keine neuzeitliche Erfindung sondern erfolgt großtechnisch seit über 40 Jahren. 

Das Thema weichmacherhaltiger PVC- Produkte wird daher auch schon seit Jahren sowohl auf der lokalen als auch Bundesebene kritisch beobachtet. Beispiele hierfür sind die im Rahmen des Kinder- und Umweltsurveys (KUS) vom Umweltbundesamt ermittelten Staubbelastungen in ca. 600 Haushalten, die auch als Vergleichswerte vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) herangezogen wurden. Außerdem wurde in mehreren Studien die Gesamtbelastung des Menschen untersucht. Bei der Betrachtung der unterschiedlichen Aufnahmepfade konnte in der INES-Studie des Bayrischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit jedoch gezeigt werden, dass die Phthalataufnahme über den Nahrungspfad die Hauptbelastung darstellt und der Luft- bzw. Staubpfad nur einen relativ geringen Anteil beiträgt. Gesetzliche Anwendungsverbote für bestimmte Weichmacher in Kinderspielzeug, Babyartikel und Kosmetika dienen bereits heute dem Verbraucherschutz, gleichwohl sollte eine weitere sinnvolle Minimierung der Phthalatbelastung aus umweltmedizinischer Sicht angestrebt werden. 

Vor diesem Hintergrund beantwortet die Verwaltung die Fragen zusammenfassend wie folgt: 

Bei der Belastung durch staubgebundene Weichmacher in Kindertagesstätten müssen drei wesentliche Quellen - Bauprodukte, Einrichtungsgegenstände und Spielmaterialien sowie durch die Kinder eingebrachte Gegenstände - unterschieden werden. 

Die Verwaltung kann nur Aussagen über die städtischen Kindertagesstätten machen.

Im Hochbaubereich wird schon seit vielen Jahren auf den Einsatz schadstoffarmer Bauprodukte geachtet und z. B. statt PVC-haltiger Fußbodenbeläge in Kitas Linoleum eingesetzt. Auch finden Vinyltapeten in diesem Bereich keine Anwendung. Hierbei verfolgt die Verwaltung das Ziel, großflächige Quellen von weichmacherhaltigen Kunststoffen zu vermeiden. Dieses gilt auch für die Kindertagesstätten freier Träger, die in städtischen Gebäuden untergebracht sind. Die städtischen Kitas in der Wüste und Haste wurden nach einem noch weiterreichenden Öko-Standard errichtet. 

Spielmaterialien und kleine Einrichtungsgegenstände werden in der Regel von den Kitas selbst beschafft, wobei überwiegend zertifizierte Produkte namhafter Anbieter zum Einsatz kommen und primär Alternativmaterialien, z. B. Holzspielzeug, angeschafft werden. 

Auf die durch die Kinder eingebrachten Quellen (Gummistiefel, Matschhosen, Plastikbeutel etc.) haben die Einrichtungen nur einen sehr begrenzten Einfluss. Hier steht die räumliche Trennung im Vordergrund. 

Es wird aufgrund der oben gemachten Ausführungen derzeit davon ausgegangen, dass die Belastung in den städtischen Kindertageseinrichtungen in den meisten Fällen im unauffälligen Bereich zu erwarten sind. Zur konkreten Abschätzung der Osnabrücker Situation wird die Verwaltung in zwei Kindertagesstätten entsprechende Messungen veranlassen und diese im Kontext der Vergleichsstudien bewerten. 

Die vorgenannten Maßnahmen sowie weitere Sensibilisierung aller Beteiligter (u. a. im Rahmen der AG nach § 78 SGB VIII) sollen dazu beitragen, die Belastung mit Weichmachern weiter sinnvoll zu minimieren, was aus vorbeugenden Gesundheitsgründen anzustreben ist. Hierzu tragen auch allgemeine Hygienemaßnahmen, wie regelmäßige Raumlüftung, bei.

 

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Anfrage | Gesundheit, Verbraucherschutz | Kinder, Jugend, Familie

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