Ist eine Abgabe auf Verpackungsmüll verursachergerecht und kann diese abfallvermeidend wirken?

Anfrage im Rat: Ist aus Sicht der Verwaltung eine Abgabe auf Verpackungsmüll verursachergerecht und kann diese eine abfallvermeidende Wirkung haben?

11.02.20 –

Anfrage im Rat am 11.02.2020

Der Inhalt der Vorlage unterstützt folgende/s strategische/n Stadtziel/e:
Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Ziel 2016 - 2020)

Sachverhalt:
Zur Anfrage der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen nimmt die Verwaltung wie folgt Stellung:

1. Hält die Verwaltung die Kostenschätzung in Tübingen für realistisch und kann von vergleichbaren Mengen und Kosten für Osnabrück ausgegangen werden?
Die Verwaltung hat zur Stadt Tübingen Kontakt aufgenommen und erste Unterlagen liegen vor. Ein Abgleich zum Vorgehen der Stadt Tübingen hinsichtlich der Kosten- und Mengenschätzung mit den in der Stadt Osnabrück vorliegenden Daten konnte noch nicht abschließend vorgenommen werden.

2. Ist aus Sicht der Verwaltung eine Abgabe auf Verpackungsmüll verursachergerecht und kann diese eine abfallvermeidende Wirkung haben?
„Europaweit gilt für Verpackungen, dass der Hersteller eines Produkts auch für die Verpackung die Produktverantwortung im Sinne von Vermeidung, Wiederverwendung und Verwertung übernimmt.
Die Umsetzung in Deutschland erfolgt über das Verpackungsgesetz (VerpackG). Das VerpackG löste am 1. Januar 2019 die Verpackungsverordnung (VerpackV) ab. Beide Regelungen konkretisieren die Produktverantwortung für Verpackungen. Wer Verpackungen in Deutschland in gewerbsmäßig und erstmals in Verkehr bringt, sei es, um ein Produkt zu schützen, besser zu vermarkten oder dieses auf dem Postweg zu versenden, muss sich bereits zuvor darum kümmern, dass diese Verpackungen ordnungsgemäß entsorgt werden und dafür bezahlen. Dies ist Ausdruck des in Deutschland und der Europäischen Union festgeschriebenen Prinzips der Produktverantwortung des Herstellers. Verkaufsverpackungen einschließlich Serviceverpackungen und Versandverpackungen sowie Umverpackungen, die typischerweise zu privaten Endverbrauchern gelangen und dort als Abfall anfallen, muss der Hersteller bei einem sogenannten dualen System - nach VerpackG "System" lizensieren. Das System hat dafür zu sorgen, dass diese systembeteiligungspflichtigen Verpackungen überall in Deutschland getrennt gesammelt, sortiert und recycelt werden. Darüber hinaus müssen die Recyclingvorgaben des Verpackungsgesetzes erfüllt werden.“

Einen Sonderfall stellt die sogenannte Serviceverpackung dar, auf die die Anfrage Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen abzielt. „Diese wird per Definition in der Verkaufsstätte mit Ware befüllt und an den privaten Enderbraucher abgegeben. Typische Beispiele sind Brötchentüten, Fleischerpapier, Schalen für Pommes Frites, Coffee-to-go-Becher oder Tüten für Obst und Gemüse. Hier darf derjenige, der diese Verpackungen erstmals mit Ware befüllt in Verkehr bringt (z. B. Bäcker, Fleischer, Imbiss, Café oder Händler), die Verpackung bereits mit der Systembeteiligung kaufen oder alternativ selbst bei einem dualen System lizensieren.“

Darüber hinaus wird auch die im Juni 2019 im EU-Amtsblatt veröffentlichte Richtlinie über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt, die sogenannte EU-Einwegkunststoffrichtlinie, zu neuen Entwicklungen in diesem Bereich führen. Die Mitgliedstaaten haben seither zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Die EU-Einwegkunststoffrichtlinie zielt darauf ab, kreislauforientierte Ansätze wie nachhaltige und nichttoxische wiederverwendbare Artikel sowie Wiederverwendungssysteme gegenüber Einwegartikeln zu fördern, wobei in erster Linie die Verringerung des Abfallaufkommens bestimmter Einwegkunststoffprodukte angestrebt wird.

Die erweiterte Herstellerverantwortung wurde als eine wichtige Maßnahme gegen Einwegkunststoffe identifiziert. Betroffen sind hier als Produktgruppen unter anderem auch Fast-Food- und Getränkeverpackungen. Es werden unterschiedliche finanzielle Pflichten der Hersteller definiert, die neben bewusstseinsbildenden Maßnahmen regelmäßig auch die Finanzierung der Beseitigung von Vermüllung, die durch die genannten Produkte entsteht, sowie des weiteren Managements der auf die genannten Produkte bezogenen Abfälle, die etwa in Straßenpapierkörben anfallen, einschließt.

Somit sollen sich die Hersteller perspektivisch an den Kosten für die öffentlichen Sammel- und Reinigungssysteme sowie die Entsorgung beteiligen. Aufgrund dieser kostentechnischen Beteiligung verbirgt sich dahinter der gewünschte Zieleffekt, dass die Inverkehrbringer die Anteile an Einwegprodukten verringern bzw. an einem ökologischeren Produktdesign arbeiten.

Um zu einer Datenbasis für die Kostenbeteiligung der Hersteller zu kommen, sind Analysen zur Ermittlung von Zusammensetzungen und Mengen aus dem öffentlichen Raum differenziert nach den verschiedenen Gruppen der Einweg-Kunststoffprodukte geplant. Auf Basis dieser Sortieranalysen sollen die spezifischen Kosten (z.B. in € pro Einwohner und Jahr) für die öffentlichen Institutionen, die durch die verschiedenen Gruppen von Einweg- Kunststoffprodukten verursacht werden, auf Basis der Leitlinien der EU-Kommission bestimmt werden.

Grundsätzlich begrüßt die Verwaltung es, wenn Kommunen Maßnahmen auf den Weg bringen, die vor Vermüllung schützen und Anreize dafür schaffen, Abfall zu vermeiden.

Ob Insellösungen wie Tübingens Verpackungssteuer das richtige Instrument sind, wird derzeit seitens der Verwaltung analog einer Stellungnahme des Verbandes kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) angezweifelt. „Ein wesentlicher Baustein für ein flächendeckendes Konzept, das bundesweit für saubere Städte und Abfallvermeidung sorgen kann, liegt mit der EU-Kunststoffrichtlinie bereits vor. Sie sieht vor, dass sich die Hersteller von Verpackungen gezielt an den Kosten der kommunalen Stadtreinigung beteiligen und so ihrer Verantwortung für saubere Städte und Umweltschutz nachkommen.

Diese Maßnahme kann der Bund bis 2021 auf den Weg bringen und so einen Flickenteppich aus Einzellösungen verhindern. Damit dieses politische Vorhaben klappt, sollten alle Kommunen an einem Strang ziehen und sich gemeinsam beim Bund dafür stark machen, die Hersteller nachhaltig in die Pflicht zu nehmen.“

 

3. Wie bewertet die Verwaltung das Rechtsgutachten der Stadt Tübingen?
Die Verwaltung hat zur Stadt Tübingen Kontakt aufgenommen. Das von der Stadt Tübingen in Auftrag gegebene Rechtsgutachten liegt der Verwaltung nicht vor, so dass eine Bewertung derzeit nicht erfolgen kann.

Die Stadt Kassel hat 1998 einen ähnlichen Vorstoß wie die Universitätsstadt Tübingen vorgenommen, der damals vor dem Bundesverfassungsgericht nicht bestehen konnte.

Kategorie

Anfrage | Entsorgung, Abfall | Natur und Umwelt | Themen

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