Osnabrück steht für Weltoffenheit, Toleranz und Zusammenhalt!

Handgiftenrede vom 05.01.2015 des Fraktionsvorsitzenden Michael Hagedorn 

05.01.15 –

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, heute über die wichtigen zurückliegenden und anstehenden Entscheidungen in der Stadt zu reden und darüber hinaus einen etwas weiteren Blick in die Zukunft unserer Stadtentwicklung zu richten.

Ich wollte sprechen über Osnabrück als smart-city von Morgen. Über die Entwicklung vom Verkehr zur Mobilität, von ihrer anstehenden vollständigen Digitalisierung und damit einhergehenden Vernetzung der Verkehrsträger. Über die Entwicklung der Stadtwerke vom ÖPNV-Betreiber zum Mobilitätsprovider. Über die Konsequenzen für die Neuaufteilung der Verkehrsräume und zum Beispiel darüber, dass man den Neumarkt nun nach der gelungenen Generalprobe endgültig als Platz gestalten und für den motorisierten Individualverkehr gesperrt lassen sollte. Und natürlich wollte ich die Vernunft und die Weitsicht der Osnabrückerinnen und Osnabrücker bei der Abstimmung über die Westumgehung loben.

Darüber hinaus wollte ich neben den Notwendigkeiten in der Verkehrspolitik über die notwendigen weiteren Schritte beim Klimaschutz sprechen. Über unseren Beitrag zur absolut notwendigen Reduzierung des Flächenverbrauchs von derzeit bundesweit 74 Hektar täglich zu „nur" noch 20 Hektar im Jahr 2020, wie die Bundesregierung das anstrebt, ohne allerdings diesem Ziel praktische Konsequenzen folgen zu lassen. Über die aus gesundheitlichen Gründen angesichts der steigenden Temperaturen gerade in den Städten steigenden Bedeutung von Grünflächen für das Kleinklima.

Und ich wollte natürlich reden über unsere finanziellen Probleme, über den angesichts des marginalen Nutzens unglaublichen Finanzbedarfs des FMO und seine aus unserer Sicht allerletzte Chance zur finanziellen Stabilisierung. Und zu guter Letzt wollte ich natürlich nicht unerwähnt lassen, dass diese Stadt ohne den Einsatz der GRÜNEN in diesem Jahr zwar eine Bundesgartenschau veranstalten würde, dass aber damit wohl unser finanzieller Spielraum endgültig bei Null wäre, und wir für sämtliche weiteren Zukunftsaufgaben wie Klimaschutz, Schulsanierung usw. usf. kein Geld mehr zur Verfügung hätten und sehr wahrscheinlich auch gar nicht mehr Herr über unseren eigenen Haushalt wären.

Auf all dies möchte ich heute aber nicht näher eingehen. Reden möchte ich vielmehr über Herausforderungen, die Europa und Deutschland und damit eben auch Osnabrück steht.

Das Jahr 2015 birgt einige Gefahren. Wir haben gerade im letzten Jahr das 100-jährige Gedenken an den Beginn des ersten Weltkrieges begangen und müssen nun angesichts des Ukraine-Konflikts feststellen, dass der Frieden in Europa keine Selbstver-ständlichkeit mehr ist und wie schnell beide Konfliktparteien in Reaktionen zurückfallen, die wir mit dem Ende des kalten Krieges überwunden glaubten.

Aber auch im Inneren gibt es Bedrohungen, die unmittelbar auch Einfluss auf zwei wesentliche Punkte haben, die wir neben unserer Verantwortung für einen nachhaltigen Umgang mit der Natur immer als zentrale Aufgaben aus unserem Verständnis als Friedensstadt bezeichnen. Ich rede von dem friedlichen und toleranten Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kul-turen und dem Frieden unter den Religionen auch in dieser Stadt.

Wir können, so glaube ich, alle stolz sein auf unsere Stadt, die in den letzten Jahren, ja Jahrzehnten viel für das gegenseitige Verständnis zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen getan hat und viele engagierte Bürgerinnen und Bürger hat, die haupt- und insbesondere auch ehrenamtlich für ein gedeihliches Zusammenleben arbeiten. Das Klima in dieser Stadt ist im Vergleich zu vielen anderen Städten offen und tolerant und überwiegend von großer Akzeptanz für den anderen geprägt.

Zuletzt wurde das wieder deutlich durch die mehr als freundliche Aufnahme der Flüchtlinge in der Aufnahmeeinrichtung am Natruper Holz. Und auch bereits vorher hat die Stadt Osnabrück wegen ihres vorbildlichen Flüchtlingskonzeptes überregional für positive Schlagzeilen gesorgt.

Ohne die großartige Hilfsbereitschaft und Einstellung vieler Osnabrückerinnen und Osnabrücker relativieren zu wollen, wir sollten auch realistisch sein. Osnabrück ist nicht immun gegen allgemeine Trends in der Bevölkerung.

Und allgemein kann man in Europa aber eben auch in Deutschland in der Bevölkerung eine wachsende Fremden- und Islamfeindlichkeit und einen zunehmenden Antisemitismus ausmachen, wobei die unappetitlichen Montagsdemos in Dresden und anderswo nur der äußere Ausdruck sind.

Laut einer Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem letzten Jahr haben erhebliche Teile der Bevölkerung (im Osten bis zu ein Drittel) mehr oder weniger Vorurteile gegen Fremde oder andere Minderheiten. Diese reichen von einem diffusen Unbehagen über das „Fremde" bis zu offener Feindseligkeit.

An den unsäglichen Pegida-Demos können wir auch ein Phänomen festmachen, das die Studie ebenfalls beschreibt: „Rechtsextreme und menschenfeindliche Orientierungen haben ein zentrales Motiv, wie langjährige Studien gezeigt haben: Sie drängen zur Normalisierung, indem sie den demokratischen Kontext aufbrechen und als attraktiver Nonkonformismus erscheinen. Perfiderweise lebt Demokratie gerade von jenem Nonkonformismus, den die Feinde der Demokratie für sich behaupten und damit attraktiv für Bürgerinnen sind".

Wir sollten uns also fragen, was wir tun können, um diesem Trend entgegenzuwirken. Denn wie würde diese Haltung sich erst verändern, wenn es zu einer tiefen Krise in Europa und/oder Deutschland käme?

Laut FES-Studie braucht politische Bildung zivilgesellschaftliche Courage und den Mut, Meinungen gegen den menschenfeindlichen Mainstream zu setzen. Hier sind wir alle gefordert. Aber es wird vermutlich nicht ausreichen, eine OGIDA-Bewegung ins Leben zu rufen: Osnabrücker gegen Intoleranz, Dummheit und Ausländerfeindlichkeit. Wir müssen auch die erreichen, die für solche gefährlichen Meinungen anfällig sind.

Insgesamt gibt es keine einfachen Lösungen, aber wir haben hier in Osnabrück einen entscheidenden Vorteil: Wir haben mehr Akteure als anderswo, die in der Lage und bereit sind, sich zu engagieren und wir haben einen relativ breit getragenen Grundkonsens in der Bevölkerung.

Wir haben den Runden Tisch Religionen, aber wir brauchen auch Instrumente, um das gegenseitige Verstehen in möglichst alle Schichten der Bevölkerung zu transportieren.

Kürzlich sah ich bei Facebook ein Plakat, das von einem türkischen Kulturverein in Berlin geklebt wurde. Es lautet:

Warum werden Menschen, die hier leben, arbeiten, lieben, spielen, lernen, lachen, wohnen, als „Fremde" bezeichnet?

Wenn man das liest, fragt man sich in der Tat, warum ist das so?

Wie gesagt, es gibt keine einfachen Antworten, aber je mehr die Menschen voneinander wissen, desto mehr werden sie wahrscheinlich feststellen, dass viele mit den gleichen Sorgen und Alltagsproblemen zu kämpfen haben.

Multikulturelle Angebote müssen daher ausgebaut statt eingeschränkt werden, auch, wenn das Geld kostet.

Wir müssen das Thema noch stärker in die Schulen tragen und darüber hinaus versuchen, die Bevölkerung in ihren jeweiligen sozialen Zusammenhängen, in Vereinen, Nachbarschaften usw. zu erreichen.

Und wir haben Institutionen in Osnabrück wie die Universität, die Deutsche Stiftung Friedensforschung usw., die Kongresse für interessierte Städte zu entsprechenden Themen organisieren könnten, die sich nicht in wissenschaftlichen Analysen erschöpfen, sondern praktische Handlungsmöglichkeiten für den kommunalen Alltag entwickeln.

Wichtig aber ist auch, dass wir in den Städten sozialen Verwerfungen wirksam begegnen bzw. sie verhindern können.

Damit wären wir aber zum Teil schon wieder bei den eingangs beschriebenen Problemen, über die ich heute eigentlich nicht reden wollte. Städte und Gemeinden sind die Keimzellen der Demokratie. Das soziale Miteinander wird entscheidend hier bestimmt. Dazu gehört auch Geld. Geld für Bildung, Kultur, usw.

Und so sehr ich geordnete Finanzen für wichtig halte: Statt dem Fetisch der schwarzen Null hinterherzujagen, sollte der Bund zunächst einmal die notwendigen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, damit die Kommunen ihren Aufgaben gerecht werden können. Damit steht und fällt nämlich diese Gesellschaft. Lassen Sie uns gemeinsam alles dafür tun, den sozialen Zusammenhalt, das Miteinander und die Weltoffenheit in dieser Friedensstadt zu erhalten.

Handgiftenrede vom 05.01.2015 des Fraktionsvorsitzenden Michael Hagedorn

Kategorie

Kommunalpolitik | Pressemitteilung | Standpunkte

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