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25.09.18 –
Um schwere oder gar tödliche Unfälle mit Fußgänger*innen und Radfahrer*innen beim Rechtsabbiegen zu verhindern wird immer wieder über eine technische Nachrüstung von Lkw und Bussen diskutiert. Weitwinkel-Spiegel sind bereits vorschriftsmäßig im Einsatz - und dennoch bleibt in der Praxis ein toter Winkel. Denn die Spiegel müssen perfekt justiert sein. Außerdem ist es schwierig, neben der Fahrzeugsteuerung noch sechs oder mehr Spiegel im Blick zu behalten. Ferner verzerren Weitwinkelspiegel die realen Entfernungen. Bei neueren Lkw werden elektronische Abbiegeassistenten eingeplant.
Der Bundesrat hat auf Initiative von GRÜN-mitregierten Ländern gesetzliche Regelungen vom Bund eingefordert. Auch der Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestags hat auf Antrag der GRÜNEN-Bundestagsfraktion einen entsprechenden Antrag beschlossen. Das Bundesverkehrsministerium wiederum verweist auf eine ausstehende EU-Reglung, appelliert aber für freiwillige Umrüstungen (#IchHabDenAssi). Zudem will das BMVI bis 2019 alle Nutzfahrzeuge ab 3,5t der nachgeordneten Behörden mit Abbiegeassistenten ausstatten sowie neue Fahrzeuge grundsätzlich mit Abbiegeassistenten beschaffen.
Zur Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nimmt die Verwaltung wie folgt Stellung:
1. Hält die Stadt Rechtsabbiegeassistenten für sinnvoll, um Unfälle zu vermeiden oder werden andere System wie z.B. BikeFlash bevorzugt?
Die Verwaltung hält den Einsatz von Rechtsabbiegeassistenten sowie anderer Assistenzsysteme für sinnvoll, um Unfälle besser vermeiden zu können. Eine Garantie der Unfallvermeidung ist dadurch jedoch leider nicht gegeben. Technisch sind diese Systeme nach Einschätzung der Verwaltung für die städtischen Einsatzzwecke noch nicht vollständig ausgereift. Es gibt Berichte über Fehlfunktionen (Radfahrer oder Fußgänger werden nicht erkannt, Laternen stören den Messvorgang, Mülltonnen werden als Fußgänger erkannt etc.). Dennoch sind aus Sicht der Verwaltung die im Fahrzeug zu verbauenden Systeme weiter zu erproben, um perspektivisch für den Einsatzzweck operativ praktikable und ausgereifte Systeme einsetzen zu können. Anzumerken ist, dass die Entwicklungen bei den im Fahrzeug zu verbauenden Assistenzsystemen insbesondere in den letzten Jahren stark vorangeschritten sind.
Infrastrukturseitige Warnsysteme wie „bike flash“ werden dagegen im Seitenbereich von Konfliktpunkten fest installiert. Schon aufgrund des hohen Installations- und Unterhaltungsaufwandes können derartige Systeme nicht vollständig die onboard-Assistenzsysteme ersetzen. Sie können unterstützend wirken, sofern die Voraussetzungen für die Installation, Wahrnehmbarkeit oder weitere Faktoren wie der Einflussnahme in übrige Verkehrsregelungen gegeben sind. Hier besteht die Gefahr, dass ergänzende Lichtzeichen, wie sie durch das System bike flash ausgegeben werden, von weiteren verkehrsregelnden Elementen wie z. B. parallel aufleuchtenden Fußgängersignalen ablenken. Weitere wesentliche kritische Aspekte sind die erforderliche hohe technische Verlässlichkeit sowie zu befürchtender Vandalismus. Die Folgen aus einem technischen Versagen können gravierend sein. Entsprechende Begleitmaßnahmen sind daher zusätzlich vorzusehen. Ein flächendeckender Einsatz kann aus Kostengründen nicht in Erwägung gezogen werden, da jede von Lkw befahrene Grundstückszufahrt in die Netz-Ausstattung einbezogen werden müsste. Hieraus werden die Einsatzgrenzen sehr deutlich. Da es jedoch keine Alternativen gibt, plant die Verwaltung den erstmaligen Einsatz eines infrastrukturseitigen Warnsystems an zwei stark frequentierten, nicht signalisierten Grundstückszufahrten, die über den neuen Radschnellweg Osnabrück–Belm führen. Diese Systeme sind nur eine Unterstützung an ausgerüsteten Kreuzungen, wohingegen am Fahrzeug verbaute Systeme in jeder Verkehrssituation eine Unterstützung bieten.
2. Wie viele Fahrzeuge ab 3,5 t werden von der Stadt und ihren Töchtern betrieben, wäre eine Nachrüstung im Bestand bzw. bei Neuanschaffungen eine entsprechende Ausstattung möglich?
Im Wesentlichen sind die Fahrzeugbestände der Stadtwerke Osnabrück (SWO) und des Osnabrücker ServiceBetrieb (OSB) zu berücksichtigen.
Die SWO haben derzeit 98 Busse und 43 Nutzfahrzeuge über 3,5 t im Einsatz.
Beim OSB befinden sich 57 Fahrzeuge (Müllwagen, Containerfahrzeuge, Kehrmaschinen, Unimog etc.) über 3,5 t im Einsatz.
Darüber hinaus gibt es ein Nutzfahrzeug über 3,5 t beim Eigenbetrieb Immobilien- und Gebäudemanagement sowie die Fahrzeuge der Feuerwehr.
Vor ca. zwei Jahren haben die SWO zur Erprobung einen Fahrschulbus mit einem Abbiegewarnsystem nachgerüstet. Dieses System gibt ein akustisches Signal sobald der Blinker gesetzt ist und sich ein Fahrradfahrer nähert bzw. neben dem Bus ist. Allerdings erfassen die Sensoren wie bereits beschrieben auch Mülleimer oder andere Dinge, die sich im Abstand von bis zu 1,20 m zum Bus befinden. Dieses Nachrüstsystem ist deshalb nicht empfehlenswert. Für Busse werden, anders als bei Nutzfahrzeugen, nach Einschätzung der SWO keine Abbiegeassistenten serienmäßig eingebaut bzw. angeboten. Anders als bei Nutzfahrzeugen hat der Fahrer eines Linienbusses durch die komplette Verglasung der vorderen Tür auch ein wesentlich größeres Aufmerksamkeitsfeld und kann sich nähernde oder neben dem Fahrzeug befindliche Fahrradfahrer besser wahrnehmen.
Die SWO haben sich bei der laufenden Beschaffung von Kanalreinigungsfahrzeugen aktuell mit der Thematik befasst. Grundsätzlich wird bei einer Neubeschaffung die Ausstattung mit einem derartigen Sicherheitssystem befürwortet.
Beim OSB sind bisher die im Bereich Abfallwirtschaft eingesetzten LKW mit Rückfahrkameras nachgerüstet bzw. ausgestattet worden, um Unfällen beim Rückwärtsfahren und Rangieren entgegenzuwirken. Zudem wurde ebenfalls vor zwei Jahren ein Fahrzeug mit Rechtsabbiegeassistenten zur Erprobung nachgerüstet. Das verbaute System ist mit einer akustischen und visuellen Anzeige ausgestattet. Wie bereits in der Anfrage beschrieben, sind am Fahrzeug zusätzlich zwei Außen-, zwei Weitwinkel-, ein Rampen- und der Frontspiegel verbaut. Bei Müllfahrzeugen und Kehrmaschinen kommen noch der Monitor für die Überwachungskameras der Schüttung bzw. der Besenaggregate und die Rückraumüberwachung hinzu. Der Bildschirm für den Abbiegeassistenten ist dann im Bereich der rechten A-Säule oder im Armaturenbrett verbaut. Alle diese Systeme müssen vom Fahrer im Blick behalten werden.
Bei akustischen Warneinrichtungen liegt auch bei Müllfahrzeugen ein Problem in der Objekterkennung. Da die Abfallbehälter an der rechten Straßenseite stehen, erkennt das System bei gesetztem Blinker bzw. Lenkeinschlag den Behälter als Hindernis und aktiviert somit ständig den Warnton. Eine gesicherte Gefahrenerkennung zur Unfallvermeidung ist dadurch hier nicht gegeben. Auch bei Systemen, die selbstständig in das Bremssystem des Fahrzeugs eingreifen, ist dieser Sachverhalt mit Problemen im operativen Betrieb verbunden.
Aus diesen Gründen gehen die Überlegungen in Richtung visueller Systeme, die für die hier überwiegenden Einsatzgebiete als praktikable Lösung erscheinen.
Aktuell ist beim OSB zusätzlich zu den bisher im Einsatz befindlichen Systemen die Erprobung von drei weiteren Assistenzsystemen unterschiedlicher Anbieter an Fahrzeugen verschiedener Fahrgestellhersteller geplant. Es handelt sich dabei um zwei Rechtsabbiegesysteme und ein Rückwärtsfahrassistenzsystem. Angebote liegen hierfür bereits vor.
Ebenso ist geplant, bei den anstehenden Neubeschaffungen von Müllfahrzeugen einen Rechtsabbiegeassistenten als Bestandteil der Ausschreibung zu definieren. Alle dann verbauten Systeme sollen vor einer weiteren Ausrüstung von Fahrzeugen zunächst auf operative Tauglichkeit erprobt werden.
In Abhängigkeit von der jeweiligen Fahrzeugart bzw. des Einsatzzweckes (Bus, Müllwagen, Kehrmaschine etc.) muss im Einzelfall bewertet werden, welche Assistenzsysteme sinnvoll eingesetzt werden können.
Die Verwaltung steht hierzu auch in Kontakt mit dem Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN) e.V. - Bezirksgruppe Osnabrück-Emsland.
3. Gibt es für Rechtsabbiegeassistenten Fördermittel und wie sind die Beschaffungskosten für Nachrüstung oder bei der Neuanschaffung von Fahrzeugen über 3,5 t?
Für den Rechtsabbiegeassistenten sind derzeit keine Fördermittel bekannt, die für die städtischen Fahrzeuge eingesetzt werden könnten. Bekannt ist eine Förderung nach dem De-minimis-Grundsatz aus den Mauteinnahmen als spezielle Maßnahme für das Transportgewerbe. Seit 2009 wird ein Teil der Mauteinnahmen an die Unternehmen des Transportgewerbes gezahlt, wenn sie Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit oder zum Schutz der Umwelt ergreifen. Förderberechtigt sind jedoch nur Unternehmen, die Güterkraftverkehr im Sinn des Güterkraftgesetzes durchführen und Halter oder Eigentümer mindestens eines schweren Nutzfahrzeuges (Kraftfahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse von mindestens 7,5 t, das ausschließlich zum Güterkraftverkehr dient) sind. Diese Voraussetzungen sind bei den städtischen Fahrzeugen nicht gegeben.
Nach Einschätzung einiger Anbieter von Assistenzsystemen werden Abbiegeassistenten kurz- bis mittelfristig zur Serienausstattung gehören und somit fester Bestandteil zukünftiger Fahrzeugbeschaffungen.
Die Beschaffungskosten für Nachrüstungen oder Ausstattung bei Fahrzeugneubeschaffung liegen zwischen 800 € und 15.000 € inkl. Einbau, je nach Art und Ausführung des Systems. Für die weiteren Erprobungen beim OSB sind Systeme unterschiedlicher Preiskategorien geplant. Eine auszugsweise Übersicht unterschiedlicher Systeme kann der Anlage entnommen werden.
Fazit: Eine serienmäßige Ausstattung wird die Sicherheit bei Nutzfahrzeugen weiter erhöhen, ist aber nur als Hilfsmittel zu verstehen und ersetzt niemals die erhöhte Aufmerksamkeit des Fahrers. Gerade bei Neubeschaffungen im Nutzfahrzeugbereich wird die Verwaltung auf serienmäßige Abbiegeassistenzsysteme setzen. Die Entwicklungen im Busbereich werden von den SWO weiter beobachtet.
Anlage 1: Auszugsweise Übersicht unterschiedlicher Assistenzsysteme
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Anfrage | Sicherheit | Verkehr | Verwaltung
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