BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ratsfraktion Osnabrück

Unterstützung von Reparaturinitiativen und Entnahme von entsorgten Geräten und Geräteteilen

Unterstützung von Reparaturinitiativen und Entnahme von entsorgten Geräten und Geräteteilen / Anfrage der Gruppe Grüne/SPD/Volt im Betriebsausschuss Osnabrücker ServiceBetrieb am 04.09.2025

28.08.25 –

Sachverhalt:

In Osnabrück arbeiten viele engagierte Bürger:innen in insgesamt neun Reparaturcafés und einem Leihladen daran, Haushaltsgeräte, Fahrräder oder auch Elektrogeräte zu reparieren und Müll zu vermeiden. Sie stehen damit nicht Konkurrenz zu den kommerziellen Reparaturanbietern, weil diese eine Reparatur zu preislich akzeptablen Konditionen nicht darstellen können. Neben dem Aspekt der Abfallvermeidung ist das soziale Miteinander in den Reparaturcafés eine besondere Qualität dieser unterstützenswerten Einrichtungen.

Auf den Recyclinghöfen des Osnabrücker ServiceBetriebs (OSB) kommt es bei der Abgabe von Elektrogeräten und Ähnlichem immer wieder zu bedauernden Äußerungen, dass hier funktionsfähige und einfach zu reparierende Geräte unwiederbringlich entsorgt werden. Eine Entnahme aus den Containern – auch von brauchbaren Teilen, wie zum Beispiel Steckern oder Kabeln – ist bislang nicht erlaubt. Ein Grund ist neben rechtlichen Unklarheiten auch die Verletzungsgefahr.

Von den Engagierten in den Reparaturcafés gibt es Anfragen, ob man hier nicht zu anderen Regelungen kommen und damit Abfall vermeiden und die Arbeit der Reparaturinitiativen unterstützen könnte.

Wir fragen daher die Verwaltung:

  1. Welche Kontakte gab es bislang von Seiten des OSB zu den Reparaturinitiativen?
  2. Wie kann den Wünschen der Reparaturinitiativen und auch der Bürger:innen nach Entnahme von Geräten oder Geräteteilen entsprochen werden?
  3. Inwieweit ist der Aspekt der Entnahme von Geräten oder Geräteteilen bei der Neugestaltung des Abfallwirtschaftszentrums Piesberg berücksichtigt worden?
     

In ihrer Mitteilungsvorlage vom 04.09.2025 antwortete die Verwaltung wie folgt:

Zu 1.:

 

Diese Frage betrifft ein komplexes Spannungsfeld zwischen den Zielsetzungen zur Abfallvermeidung und Wiederverwendung, dem Abfallrecht und den praktischen Herausforderungen am Abfallwirtschaftszentrum (AWZ) und den Recyclinghöfen.

Die Entnahme von entsorgten Gegenständen vom Abfallwirtschaftszentrum oder den Recyclinghöfen durch Reparaturinitiativen oder Bürgerinnen und Bürgern ist rechtlich problematisch und derzeit in vielen Fällen noch unzulässig.

Die wichtigsten Aspekte dabei sind:

Entsorgungswille

Wenn jemand Gegenstände zum Abfallwirtschaftszentrum oder Recyclinghof bringt, dokumentiert er damit seinen eindeutigen Willen zur endgültigen Entsorgung. Der Entsorgende kann davon ausgehen, dass die Gegenstände der Verwertung oder Beseitigung zugeführt werden und eine Weiterverwendung durch Dritte nicht erfolgt.

Entsorgungspflicht

Der Osnabrücker Servicebetrieb (OSB) als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger (örE) hat nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) die Pflicht zur ordnungsgemäßen Entsorgung übernommener Abfälle. Eine unkontrollierte Entnahme würde dieser Verantwortung entgegenstehen.

Gleichbehandlungsgrundsatz

Der OSB als örE müsste bei einer Erlaubnis für Reparaturinitiativen oder Bürgerinnen und Bürgern allen Personen gleiche Zugangsmöglichkeiten gewähren. Dies darf in der Praxis nicht zu unkontrollierbaren Zuständen führen und das geordnete Entsorgungssystem gefährden.

Eigentumsübergang

Sobald Abfälle am Abfallwirtschaftszentrum abgegeben werden, geht das Eigentum auf den OSB als örE über. Eine nicht genehmigte Entnahme würde rechtlich eine Wegnahme fremden Eigentums darstellen. Bei einer genehmigten Entnahme ist der OSB dagegen ggf. als Inverkehrbringer in der Haftung.

Besonderheiten bei Elektroaltgeräten nach dem ElektroG

(Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten)

Für Elektroaltgeräte gelten noch strengere Regelungen. An der Sammelstelle sind eine Separierung von Altgeräten, eine nachträgliche Entnahme aus den Behältnissen sowie die Entfernung von Bauteilen aus oder von den Altgeräten unzulässig. Das ElektroG verbietet bisher explizit jede Form der Entnahme oder Demontage an Sammelstellen. Eine Vorbereitung zur Wiederverwendung darf lediglich durch eine zertifizierte Erstbehandlungsanlage erfolgen.

Probleme der Inverkehrbringer-Rolle

Wer Gegenstände vom Recyclinghof entnimmt und diese weitergibt, kann rechtlich als Inverkehrbringer gelten. Dies würde umfangreiche Produktverantwortungspflichten auslösen, insbesondere:

  • Gewährleistungspflichten.
  • Produkthaftung.
  • Bei Elektrogeräten: Registrierung nach ElektroG.
  • CE-Kennzeichnung bei bestimmten Produkten.

Schutz von Persönlichkeitsrechten

Der Entsorgungswille, nicht nur bei Elektrogeräten, schützt auch die Persönlichkeitsrechte des ursprünglichen Besitzers. Viele Menschen entsorgen Gegenstände bewusst, um:

  • Persönliche Daten zu vernichten.
  • Private Informationen zu schützen.
  • Zu verhindern, dass defekte oder abgenutzte Gegenstände ihre Identität preisgeben.
  • Sicherzustellen, dass niemand Rückschlüsse auf ihren Lebensstandard oder ihre Gewohnheiten ziehen kann.

Mögliche Lösungsansätze

Mit der Novelle des ElektroG, die am 1. Januar 2026 in Kraft tritt, wird an der Sammelstelle, in Osnabrück ist dies das Abfallwirtschaftszentrum Piesberg, die Separierung von gebrauchten Elektrogeräten, die keine Altgeräte sind, zum Zweck der Wiederverwendung zulässig. Wenn die Abgebenden freiwillig und ausdrücklich die Entscheidung trifft, dass das Elektrogerät zur Wiederverwendung und nicht zur Abfallentsorgung abgegeben wird, ist unter definierten Rahmenbedingungen eine Weitergabe an Reparaturinitiativen möglich. Bei dem Elektrogerät handelt es sich dann nicht um Abfall.

Diese zukünftige Regelung für Elektrogeräte lässt sich auch heute schon auf andere Gegenstände, die am Abfallwirtschaftszentrum abgegeben werden, anwenden.

Um für derartige Gegenstände (ohne Stecker und ohne Akku) die Wiederverwendung zu fördern, hat der OSB in den letzten Monaten den „Kreislauf-Kiosk“ vorbereitet.

Kreislauf-Kiosk

Beim Kreislauf-Kiosk handelt es sich um einen separaten Bereich am Abfallwirtschaftszentrum und den drei Recyclinghöfen im Osnabrücker Stadtgebiet, an denen Bürgerinnen und Bürger noch verwendbare Gegenstände abstellen können, die andere mitnehmen dürfen. Rechtlich handelt es sich dann auch hier nicht um Abfall. Siehe hierzu weitere Details bei der Beantwortung zu Frage 3.

Kooperationsmodelle

Der OSB entwickelt derzeit ergänzend zum Kreislauf-Kiosk weitere Rahmenbedingungen und „Spielregeln“, wie noch funktionsfähige Gegenstände und Elektrogeräte bereits vor der eigentlichen Entsorgung separiert und unter anderem an Reparaturinitiativen weitergegeben werden können. Dieses muss rechtlich auch vor der Einstufung als Abfall und dem Eigentumsübergang an den örE erfolgen. Seitens des Abgebenden muss der Wille zur Wiederverwendung eindeutig gezeigt werden.

Es sind dabei Rahmenbedingungen zu entwickeln, die eine Gleichbehandlung aller Reparaturinitiativen gewährleistet. Die rechtssichere Umsetzung erfordert sorgfältige vertragliche und organisatorische Regelungen, die das Abfallrecht respektieren und gleichzeitig Kreislaufwirtschaftsziele fördern. Teilnehmen könnten Reparaturinitiativen, Tauschbörsen, soziale Läden und andere gemeinnützige Institutionen, die in der Stadt Osnabrück aktiv sind.

Die Abgabe an einzelne Bürgerinnen und Bürger ohne soziale oder umweltorientierte Initiative im Hintergrund bleibt weiterhin ausgeschlossen. Auch die Abgabe zu rein gewerblichen Zwecken ist nicht möglich.

Weitere Details hierzu sind bei der Beantwortung zu Frage 2 dargestellt.

Zu 2.:

Der OSB hat in der Vergangenheit mehrere Projekte und Initiativen in kleinem Umfang unterstützt; wobei es sich dabei überwiegend nicht um Reparaturinitiativen gehandelt hat.

So unterstützt der OSB beispielsweise Schulen mit Objekten für den Technikunterricht und mit Fahrrädern für die Schülerwerkstatt. Auch Material für Kunstobjekte wurde vom OSB zur Verfügung gestellt.

Aktuell hat der OSB unter dem Motto „KANN DAS WEG & DARF ICH DAS HABEN?“ eine Bachelorarbeit über das Thema „Gerettete Materialien als Lösungspotenzial für eine verteilungsgerechte Produktkultur“ begleitet.

Ziel der Arbeit war eine Untersuchung, wie Materialien, die entsorgt werden sollten, zu verteilungsgerechten Produkten führen können, die ästhetisch und funktional kaum von Neuware zu unterscheiden sind, aber preislich unterboten werden können. Hierzu wurde auch exemplarisch eine kleine Produktserie aus geretteten Materialien gefertigt.

Neben diesen Aktivitäten wurden erste Gespräche mit einem Verein geführt, der soziale Läden, einen Leih-Laden und ein Reparatur-Café betreibt.

Der OSB plant, mit Reparaturinitiativen, Tauschbörsen, sozialen Läden und anderen gemeinnützigen Einrichtungen zusammenzuarbeiten und hierzu einen Kooperationskreis zu gründen. Gemeinsam sollen klare und faire Regeln entwickelt werden, die alle Partner gleichberechtigt behandeln, besonders bei der Abholung von Gegenständen, die zur Wiederverwendung gespendet wurden.

Initiativen aus dem Stadtgebiet Osnabrück können mitmachen. Interessierte sollen sich unkompliziert melden können und sich an einer gemeinsamen Vereinbarung beteiligen.

Um dieses auf den Weg zu bringen, hat der OSB im Juni 2025 an einem ersten Vernetzungstreffen verschiedener Reparatur-Cafés in Osnabrück teilgenommen, das von der Freiwilligen-Agentur initiiert wurde. Mit den Teilnehmenden dieses Vernetzungstreffens möchte der OSB die Ideen des Kooperationskreises vertiefen sowie Regeln und Vereinbarungen entwickeln.

Beispielsweise ist festzulegen, welche Art von Geräten übergeben werden dürfen und welche Gerätearten hiervon ausgeschlossen sind. Auch ein gewerbliches Handeln mit übernommenen Geräten soll sich auf gemeinnützige Zwecke beschränken. Nicht reparierbare Geräte müssen an der kommunalen Sammelstelle ordnungsgemäß entsorgt werden und die Verantwortung für die Sicherheit und Funktion der nach Reparatur weitergegebenen Geräte liegt bei den Reparaturinitiativen. Die Haftung der Stadt Osnabrück für Schäden, die durch ein Gerät nach Abgabe an eine Kooperationseinrichtung entstehen, muss ausgeschlossen werden.

Zu 3.:

Die Schaffung von Möglichkeiten, abgegebene Gegenstände einer Wiederverwendung zuführen zu können, ist auch bei der Neugestaltung des Abfallwirtschaftszentrums Piesberg berücksichtigt worden. Im Oktober eröffnet der OSB auf den drei Recyclinghöfen Limberger Straße, Ellerstraße und Sankt-Florian-Straße sowie am Abfallwirtschaftszentrum Piesberg unter dem Motto gratis | clever | nachhaltig je einen Kreislauf-Kiosk. Diese vier Kioske funktionieren wie eine kostenlose Second-Hand-Börse. Hier können Bürgerinnen und Bürger gut erhaltene Gegenstände, die sie selbst nicht mehr benötigen, abgeben und haben gleichzeitig die Möglichkeit, die passenden Fundstücke für den Eigenbedarf mitzunehmen. Nachhaltigkeit und der respektvolle Umgang mit Ressourcen stehen im Fokus des Projektes. Damit das Geben und Nehmen für alle gut funktioniert, wurden Regeln festgelegt. Diese beziehen sich u.a. auf den Zustand der abgegebenen Gegenstände und auf die Anzahl, die pro Besuch mitgenommen bzw. abgegeben werden darf. Kleidung, Möbel, Lebensmittel, Flüssigkeiten, Drogerieprodukte sowie Elektrogeräte (alles mit Stecker und Akku) finden keinen Platz im Kreislauf-Kiosk. Die mitgenommenen Produkte sind ausschließlich für den Privatgebrauch gedacht. Ein Weiterverkauf wird ausdrücklich untersagt. Der Osnabrücker Servicebetrieb geht damit einen weiteren Schritt in Sachen Müllvermeidung.

Bei der Neugestaltung des Abfallwirtschaftszentrums ist neben dem Kreislauf-Kiosk auch die Einführung des sogenannten Thekenmodells für Elektrogeräte vorgesehen.

Das Thekenmodell ist ebenfalls eine Neuerung im ElektroG, die mit der ElektroG-Novelle eingeführt wird, die am 1. Januar 2026 in Kraft tritt.

Das Thekenmodell an kommunalen Sammelstellen bedeutet, dass die Einsortierung von Elektroaltgeräten in Sammelbehältnisse auf dem Recyclinghof künftig nur noch von Mitarbeitenden des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers erfolgen soll. Dies betrifft die Sammelgruppen 2 (Bildschirme), 3 (Lampen) und 5 (Kleingeräte).

Konkret bedeutet dies:

  • Bürgerinnen und Bürger können diese Elektroaltgeräte nicht mehr selbst in die Container einwerfen.
  • Die Geräte müssen an einer "Theke" bzw. einer ähnlichen Annahmestelle abgegeben werden.
  • Nur geschulte Mitarbeitende eines Recyclinghofes sortieren die Geräte in die entsprechenden Sammelbehälter ein.

Zur Erfüllung dieser rechtlichen Vorgaben ist neben den dafür vorgesehenen baulichen Planungen am Abfallwirtschaftszentrum auch eine Stelle für derartige Aufgaben im Stellenplan und Budget ab 2026 aufgenommen worden.

Der Hintergrund und die Zielsetzung der Einführung des Thekenmodells basiert auf zwei wesentlichen Aspekten.

Sicherheitsaspekte

  • Im Fokus der Gesetzesänderungen stehen Elektrogeräte, in denen Lithium-Ionen-Batterien verbaut sind, welche durch eine unsachgemäße Handhabung Brandrisiken mit sich führen.
  • Verhinderung von Bränden durch falsch entsorgte Lithium-Ionen-Akkus.
  • Schutz vor unsachgemäßer Sortierung.

Qualitätsverbesserung:

  • Bessere Sortierung durch fachkundiges Personal.
  • Reduzierung von Fehlwürfen.
  • Erhöhung der Verwertungsqualität.

Das Thekenmodell stellt somit eine kontrolliertere Form der Elektrogeräte-Sammlung dar, bei der die fachgerechte Sortierung durch geschultes Personal sichergestellt werden soll, um insbesondere die Brandgefahr durch Lithium-Ionen-Batterien zu minimieren.

Gleichzeit ermöglicht diese durchaus personalintensive Neuerung in Kombination mit der Neuerung im ElektroG ab 2026, dass Besitzer gebrauchter Geräte die Wahl haben, ob sie diese als Abfall zur Entsorgung oder als Gebrauchtgerät zur Weiterverwendung übergeben. Noch vor dem Eigentumsübergang der Elektrogeräte an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger als Abfall kann der Abgebende seinen Wunsch dokumentieren, dass das von ihm abgegebene Elektrogerät einer Wiederverwendung zugeführt werden darf und somit auch an eine Reparaturinitiative abgegeben werden kann. Diese Elektrogeräte können dann separat von den Elektroaltgeräten nach ElektroG gesammelt und nach einem festzulegenden Modell an alle an einer Kooperation teilnehmenden Reparaturinitiativen abgegeben werden.

Die Umsetzung dieses Vorgehens ist nach Fertigstellung der Umbauarbeiten am AWZ und der notwendigen Aufstockung des Personals für diese Aufgabe geplant. Dieses wird voraussichtlich Mitte 2026 der Fall sein.

Kategorie

Anfrage | Entsorgung, Abfall | Natur und Umwelt | Soziales

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